Die katholische Kirche in Deutschland und in Österreich und das jeweilige Justizministerium arbeiten künftig enger zusammen. Dies geht aus Presseerklärungen der Bischofskonferenzen und der Justizministerien hervor. In Deutschland wollen Kirche und Justiz die vergangenen Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch gemeinsam aufklären und künftig auf diesem Gebiet noch intensiver zusammenarbeiten. Beide Seiten waren sich demnach bei einem Gespräch zwischen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch darin einig, dass es das vorrangige Ziel der katholischen Kirche und der staatlichen Stellen ist, in enger Kooperation miteinander und mit den Betroffenen alles zu tun, um eine umfassende Aufklärung der vergangenen Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch in den kirchlichen Einrichtungen entschlossen voranzutreiben. “Im Mittelpunkt dieser Aufarbeitung müssen dabei immer die Opfer stehen, denen großes Leid zugefügt worden ist und die zum Teil als Erwachsene bis heute darunter leiden. Sie haben ein Recht auf eine ehrliche Aufklärung,” heisst es in der gemeinsamen Aussendung.
Erzbischof Zollitsch erläuterte die von der katholischen Kirche ergriffenen Maßnahmen. Die Bistümer haben bereits seit längerem jeweils eigene Ansprechpartner benannt, an die sich Betroffene mit ihren Anliegen wenden können. Seit dem 30. März 2010 steht den Opfern sexuellen Missbrauchs eine bundesweite kostenfreie Telefon-Hotline zur Verfügung. Diese Hotline ist in den letzten Tagen bereits von vielen Betroffenen in Anspruch genommen worden. Zudem werden schon unabhängige Berater eingesetzt. Erzbischof Zollitsch berichtete von den kürzlich veröffentlichten Klarstellungen des Vatikans zum Umgang mit Missbrauchsfällen in der Kirche. Dort wird insbesondere auf der strikten Einhaltung des staatlichen Rechts bei der Aufarbeitung der Fälle bestanden. Die zuständigen Gremien arbeiten zudem bereits an einer Änderung der innerkirchlichen Leitlinien von 2002 zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs, um deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass Staatsanwaltschaften bei Verdachtsfällen frühzeitig eingebunden werden. Erzbischof Zollitsch bekräftigte zudem, dass dem Opferschutz eine besondere Bedeutung beigemessen werde.
Die deutsche Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger begrüßte die von der katholischen Kirche bereits ergriffenen Maßnahmen. Sie machte deutlich, dass die in Arbeit befindliche Änderung der Leitlinien zum Ausdruck bringen müsse, dass innerkirchliche Maßnahmen die Aufnahme und Durchführung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen weder verzögern noch behindern dürften. Staatliche Behörden seien bei Missbrauchsverdacht einzuschalten. Sie begrüßte die Erklärung der Freisinger Bischofskonferenz zur Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen.
Der vom Bundeskabinett am 24. März 2010 eingesetzte Runde Tisch und die Berufung der ehemaligen Bundesfamilienministerin Christine Bergmann als unabhängige Beauftragte werden nach Auffassung beider Seiten einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass unter Beteiligung aller betroffenen Akteure eine nachhaltige Aufarbeitung der vergangenen Missbrauchsfälle gelingt und gleichzeitig Möglichkeiten der wirksamen Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch für die Zukunft entwickelt werden. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger betonte, dass der Einsatz unabhängiger Berater zur Überwindung der Hemmschwellen der Opfer, erlittenen Missbrauch mitzuteilen, hilfreich sei.
Anlässlich des Gesprächs wurde vereinbart, dass sich die Deutsche Bischofskonferenz auch an der Unterarbeitsgruppe aktiv beteiligen wird, die sich unter dem Vorsitz des Bundesministeriums der Justiz mit der rechtlichen Aufarbeitung befasst. Neben der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs wird eine der zentralen Fragen dieser Unterarbeitsgruppe sein, wie das Leid der Opfer in den Fällen, die bereits verjährt sind, angemessen anerkannt werden kann.
In Österreich sind sich die österreichische Justizministerin Bandion-Ortner und Kardinal Christoph Schönborn darin einig, dass Gewalt und sexueller Missbrauch ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, dem es gelte in Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Kräften entgegenzutreten. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner verwies darauf, dass staatliche Stellen auf Basis von Medienberichten oder Anzeigen tätig würden und Ermittlungsverfahren ganz unabhängig davon eingeleitet werden, aus welchem Bereich die Täter stammen.
Kardinal Schönborn verwies seinerseits darauf, dass staatliche Gesetze zur Meldung von Vergehen natürlich stets und überall befolgt werden sollen, wie dies auch in einem vor kurzem veröffentlichten päpstlichem Schreiben festgehalten ist. Jedenfalls kommt es kirchlicherseits zur Anzeige, wenn dies das Opfer wünscht oder eine Anzeige im Sinne der Prävention notwendig ist, so Schönborn.
Laut dem Nachrichtenmagazin “Profil” sind derzeit übrigens neun Priester in Österreich wegen Missbrauchsvorwürfen ausser Dienst.
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