Obwohl ich ansonsten meist weder am Sortiment noch an der Qualität vom Merkur-Markt auszusetzen habe: mein Gewissen zwingt mich dazu, heute wieder einen schwerwiegenden Misstand aufzutreten:
Tatort (nicht fiktiv, sondern wirklich geschehen): Ein Merkurmarkt in Wien, Mittwoch 30. April 2008 abend, fünf Minuten vor Geschäftsschluss. Ich bin in den letzten Minuten noch dort, um vor dem nahenden 1. Mai noch einige Lebensmittel einzukaufen.
Ich staune so kurz vor der Sperrstunde noch das ganze Rindfleischregal gefüllt zu sehen, begutachte die Packungen und siehe da: die meisten Schalen haben eine Mindesthaltbarkeit 1. Mai 2008. Ich schüttle den Kopf, nahme weitere Schalen mit Rindfleisch heraus, auch diese tragen das Haltbarkeitsdatum 1. Mai 2008.
Ich frage den Fleischer, der gerade Etiketten auf das Regal klebt, was jetzt mit all diesem Fleisch im vollen Regal passiert, da ja nur noch wenige Minuten bis Geschäftsschluss sind und das Fleisch am Tag darauf wegen des Feiertages nicht verkauft werden kann.
Der Mann antwortet: “Wird weggeschmissen.” Ich frage nochmal nach: “Wie bitte? Weggeschmissen?” Dieser antwortet: “Ja, wird weggeschmissen. Wir müssen alles wegschmeissen: das ist Gesetz.” Ich: “Wie das ist Gesetz?” Der Fleischer: “Ist Merkur-Gesetz: wir dürfen keine Rabatte geben, sondern wir müssen bis Geschäftsschluss den vollen Preis verlangen. Und was nicht verkauft wird, muss weggeschmissen werden.”
Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen: Die Geschäftsführung des Merkurmarkts lässt lieber ein Regal voll mit intaktem Rindfleisch vernichten als, wenn absehbar ist, dass es sich an diesem Tag sonst nicht mehr verkaufen lässt, es vergünstigt zu verkaufen?
Sowas ist in Zeiten, wo sich jeder inklusive Politiker über die erhöhten Nahrungsmittelpreise beklagt und wo immer noch viele arme Menschen kaum zu essen haben, sowas von menschenverachtend und zutiefst unverantwortlich.
Und nein: das hat nichts mit der Marktpositionierung als Hochpreismarkt zu tun, was gegen meinen Standpunkt vorgebracht werden könnte: das ist eine Frage ethischer Verantwortung: ohne dringende Notwendigkeit (z.B. Produkte sind verdorben) sind Nahrungsmittel nicht zu vernichten.
Ich bin fassungslos und überlege ernsthaft, Merkurmärkte künftig zu boykottieren und nur mehr beim Mitbewerb einzukaufen. Und an die verantwortlichen Politiker, die gerne pseudoentrüstet über steigende Lebensmittelpreise sind, appelliere ich, strenge Gesetze und harte Strafen gegen die willkürliche Vernichtung von intakten Lebensmitteln zu erlassen. Sollte es hingegen sogar bestehende Gesetze oder Vorschriften geben (ich habe vor dem Verfassen dieses Beitrags keine entsprechenden Gesetze gefunden), dass der Handel intakte Lebensmittel vernichten muss, dann sind solche Vorgaben dringendst abzuändern.