Es ist zwar nicht nur notwendig, sondern auch sinnvoll, über den Prozess gegen den norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik zu berichten, aber in einer Art und Weise, dass er sich nicht als “verehrenswürdiger Held” und “Opfer des Systems” darstellen kann. Der sich zu seinem Wahnsinnstaten Bekennende erklärt sich nicht nur für unschuldig, da er aus “Notwehr” gehandelt habe, sondern “bereut” offenbar aus vollster Überzeugung nur, nicht noch mehr Menschen ermordet zu haben.
Es gibt zu viele Menschen (im extrem linken genauso wie im extrem rechten politischen Spektrum) in ganz Europa, die sich aus Enttäuschung und Frust über das aktuelle politische System nach einer Leitfigur sehnen. Diese soll dann in beiden Fällen die aktuellen politischen Zustände beenden und eine neue, “gerechtere und bessere Gesellschaftsordnung” herbeiführen, in der es allen Menschen gut geht, in der alle Menschen im Wohlstand leben. In beiden politischen Systemen gäbe es dann keinen Spielraum mehr für Toleranz und für andere Meinungen, sondern die dem “neuen” System Unangepassten würden verfolgt: im einen Fall die sogenannten Reichen zu Gunsten der so genannten Armen verfolgt, enteignet und enterbt und im anderen Fall grundsätzlich Andersdenkende und Minderheiten, die dem System der Leitfigur nicht zustimmen. Das darf vor allem in einem geeinten Europa niemals (mehr) passieren.
Und daher muss alles unternommen beziehungsweise unterbunden werden, was schwache zu Extremismen neigende Menschen darin bestärken könnte, einem wahnsinnigen Idol hinterherzueifern. In diesem Zusammenhang ist für mich gänzlich unverständlich, warum die norwegische Justiz TV-Übertragungen aus dem Gerichtssal zulässt, wo der Massenmörder Breivik von vorne herein die Medien und die Öffentlichkeit für seine PR-Aktion missbrauchen wollte. Bei allem Verständnis für die Hinterbliebenen ist es zudem auch fraglich, ob eine Haft von maximal 21 Jahren (in Norwegen Höchststrafe) für Massenmord die höhere Strafe bedeutet als tatsächlich lebenslang in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu landen, was Breivik ja unbedingt vermeiden will.
Ich warne jedenfalls davor, den offensichtlich scharf kalkulierenden norwegischen Attentäter und Massenmörder zu unterschätzen, anzunehmen, dass er nicht genau wüsste, wie er Medien zu seinem Vorteil einsetzen kann: Er plante auch seine Anschläge sehr penibel und so agiert er sicher sicher nach vor. Ich appelliere daher an alle Medienvertreter, im Zusammenhang mit der Berichterstattung im Fall Breivik ausnahmslos auf jegliche Live-Übertragung zu verzichten und bei der Auswahl des zu sendenden Materials in diesem Fall nicht nur nach üblichen Kriterien abzuwägen, sondern sich hier ganz besonders der Verantwortung bewusst zu sein, was entsprechende Filmberichte bei umsturzanfälligen Menschen anrichten könnte. Medien riskierten sonst zu (wenn auch ungewollten) indirekten (terroristischen) Mittätern in Breiviks Dienste zu werden.
Im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik hat übrigens auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) eine zurückhaltende Berichterstattung angemahnt. Deren Standpunkt stimme ich vollinhaltlich zu: Es gelte, den Spagat zwischen dem Informationsauftrag der Journalistinnen und Journalisten und dem Opferschutz zu schaffen, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken: „Journalisten dürfen sich nicht zu Breiviks unfreiwilligen Helfern machen lassen.“ Der Beschuldigte habe es darauf angelegt, den Strafprozess als Medienspektakel zu missbrauchen. Journalisten dürften seinen Verführungskünsten nicht verfallen.
„Auch in diesem Fall, der für Norwegen eine Katastrophe war, gelten die Richtlinien des Pressekodex“, betonte Konken. So sehe etwa dessen Ziffer 11.2 vor, dass sich die Medien „nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen“ lassen dürften. Und weiter heiße es: „Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.“ Konken: „Wenn Journalisten den Ausführungen des Angeklagten so viel Raum schenken, wie er es sich wünscht, geraten Schrecken und Ungeheuerlichkeit seiner Taten in den Hintergrund.“ Das dürfe auf keinen Fall geschehen, so Konken.
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