Eigentlich hätte dies -wie in den Vorjahren- nur eine Bildreportage mit wenig Text über die Regenbogenparade als Fest gelebter Toleranz werden sollen. Aber anstattdessen muss dieser Beitrag nun neben den Fotos zu einem Plädojer für Meinungsfreiheit werden. Leider.
Eigentlich wollte ich hier nur jede Menge viele bunte Fotos als Eindrücke in Bildern von der diesjährigen Regenbogenparade in Wien zeigen und eben mal kurz aus auch zur kleinen Kundgebung von Paradengegnerm schauen, um im Zeichen der Ausgeglichenheit in der Berichterstattung (mit einem Fotos belegt) auch diese zu erwähnen. Eigentlich.
So ging ich zunächst dem Ring entlang und fotografierte jede Menge fröhlicher und bunter Gestalten und schaute dann noch zum Stock im Eisen Platz (hinterm Stephansplatz). Die “Prozession”, so kann man die Kleingruppe, ausgerüstet nur mit einem Auto samt Lautsprechern, Kreuzen, einigen (schwulenfeindlichen) Plaketen und rosenkranzbetend, nennen, zog dann bis zum Platz an der Seite der Staatsoper, wo sie innehielten und erneut Rosenkranz beteten. Kurzum also handelte es sich um eine vollkommen harmlose kleine Gruppe von etwa 30 bis 40 Teilnehmern.
Wäre ja schön, wenn es so gelaufen wäre, dass die Zehntausenden Paradenteilnehmer ihren Weg um den Ring ziehen und die wenigen Teilnehmer der Gegenkundgebung ihre bescheidene Veranstaltung -im Sinne der Meinungsfreiheit- genauso hätten abhalten können. Dem war aber nicht so. Leider:
Während die Teilnehmer an der Parade -zu Recht- ungestört und ungehindert ihre Veranstaltung rund um den Ring abhalten konnten, wurde die kleine Gruppe der Gegenkundgebung von allen Seiten durch rasch organisierte Störenfriede behindert, die pfiffen, buhten, trommelten und schrieen und die Teilnehmer und ihren Glauben beschimpften und sie beleidigten und immer wieder ihre Prozession aufzuhalten versuchten. Und selbst mehrere Straßensperren vermochten die Unruhestifter und Radau-Demonstranten nicht von den Kundgebungsteilnnehmern wirklich zu trennen. Sie stürmten erneut wieder von allen Seiten her.
Bei der Staatsoper angekommen mussten die Kundgebungsteilnehmer zu ihrem Schutz vor den Aggressoren schließlich von der Polizei eingekreist werden. Und sobald die Kundgebungsteilnehmer zu beten begannen, ging der Lärm der anderen wieder los. Da jedoch immer mehr Störenfriede Richtung Oper mobilisiert wurden und die Kundgebung durch die Störungen und den Lärmpegel immer mehr verunmöglicht wurde, forderte die Polizei schließlich die Sondereinheit Wega und die Hundestaffel zur Verstärkung an.
Es wurden auch mehrere Videos gedreht, darunter eines vom katholischen gloria.tv, das zugunsten der Kundgebungsteilnehmer berichtete, eines von einem offensichtlichen Sympathisanten der Störenfriede.
Ich vertrete keineswegs uneingeschränkt den Standpunkt der Kundgebungsteilnehmer. Im Gegenteil: Ihre Sorge und ihr Idealismus (sich für ihre Überzeugung so ausgrenzen und beschimpfen zu lassen) mögen berechtigt sein und jeder kann dankbar sein, wenn für ihn gebetet wird (weil Gott glücklicherweise Gebete manchmal ganz anders erhört, als vom Betenden gewünscht): Dennoch sind deren Anligen bei dieser Kundgebung äußerst bedenklich, zumal Homosexualität und Familie Parallelbereiche sind und Homosexualität oder die Eingetragene Partnerschaft demnach gar keine Gefahr der gewiss schützenswerten Institution Familie darstellen können. Ihr Weg und ihre Forderungen diesbezüglich sind daher jedenfalls der falsche Weg. So wünsche ich mir von den Kundgebungsteilnehmern mehr Toleranz, Gelassenheit, Glauben und Vertrauen an das Gute im Menschen.
Genauso intolerant sind aber auch die Gegendemonstranten. Ich bin nicht nur ein überzeugter Demokrat, sondern auch ein unbedingter Verfechter und Verteidiger der Meinungsfreiheit. Toleranz ist wichtig, ja notwendig und zwar auf allem Seiten. Problematisch wirds allerdings dann, wenn die eine Seite zwar für sich Toleranz beansprucht, aber nicht bereit ist, dem anderen auch eine entgegengesetzte Meinung zuzugestehen. Mal abgesehen davon, dass die vielen rasch organisierten Radau-Demonstranten der Kundgebung -wohl unfreiwillig- zu einer Bedeutung verhalfen (sie aufwerteten), auf die sie vielleicht gerne verzichtet hätten:
Wenn es in einem demokratischen Land wie Österreich offensichtlich nicht mehr möglich ist, betend durch die Straßen zu ziehen und zu seiner (der Öffentlichen Meinung gänzlich entgegengesetzten) Meinung auch öffentlich zu stehen dann mache ich mir Sorgen um unser Land. Und gerade, wer einer Minderheit angehört, müsste doch eigentlich so sensibel sein, auch anderen Minderheiten die freie öffentliche Meinungsäußerung zuzugestehen, auch wenn man sie keinesfalls nachvollziehen oder gar gutheißen kann.
Ich wünsche mir für die Zukunft, dass ausnahmslos jeder in Österreich das Recht haben muss, ungehindert und ungestört seine Meinung (sofern sie nicht gegen geltende Gesetze verstößt) auch öffentlich kundzutun, ohne dass ihm irgendwer den Mund verbieten will, der anders denkt. Es muss möglich sein, dass zwei vollkommen konträre Meinungen nebeneinander stehen, ohne dass man sich gegenseitig niederbrüllt oder den Mund verbietet. Es muss eine Kultur wachsen, die Andersdenkende tatsächlich toleriert und nicht nur Toleranz für sich selbst beansprucht. Dann erst sind wir eine wirklich reife Demokratie und Gesellschaft.
Und hier sind Eindrücke in Bilder (Fotos) sowohl von der bunten Regenbogenparade als auch von der Gegen-Kundgebung:
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