Mit ‘Armutskonferenz’ getaggte Artikel

Donnerstag, 22. Januar 2015, von Elmar Leimgruber

Sozialbericht: Ist sozialer Ausgleich in Österreich gut ausgeprägt?

Gestern Mittwoch wurde der alle zwei Jahre erscheinende vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), der Statistik Austria und dem Sozialministerium erstellte Sozialbericht vorgestellt. “Im Vergleich zu anderen EU-Staaten haben sich in Österreich die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bislang relativ moderat ausgewirkt. Dies ist sowohl auf wirtschafts-, fiskal- und beschäftigungspolitische Maßnahmen als auch wohlfahrtsstaatliche Strukturen und die Sozialausgaben als konjunkturstabilisierende Faktoren zurückzuführen”, unterstrich Sozialminister Rudolf Hundstorfer.

Im Gegensatz zum Sozialminister aber, der seit drei Jahrzehnten die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker ansteigen sieht als die Einkommen aus Arbeit, betont die Wirtschaftskammer (WKO), dass die österreichische Einkommensverteilung im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet: “Der soziale Ausgleich ist in Österreich besonders stark ausgeprägt”, erklärt Anna Maria Hochhauser, Generalsekretärin der Wirtschaftskammer:  Wird die Umverteilungswirkung anhand des international anerkannten GINI-Koeffizienten betrachtet, so befinde sich Österreich im OECD-Vergleich sogar an erster Stelle.

Die Umverteilung durch das Steuer- und Transfersystem reduziere den Gini-Koeffizienten für die Einkommensverteilung (0=völlige Gleichverteilung, 1=maximale Ungleichverteilung) von 0,47 (Bruttoeinkommen) auf 0,26 (Nettoeinkommen). Somit liegt Österreich mit einer Differenz des Gini-Koeffizienten zwischen Brutto- und Nettoeinkommensverteilung von 0,21 an der OECD-Spitze. Das Nettopensionsvermögen ist durch die gesetzliche Mindest- und Höchstpension sogar noch gleicher verteilt als das Nettovermögen. “Wir stehen bei der sozialen Sicherheit viel besser da als die meisten europäischen Länder. Die Wirtschaftskammer setzt sich daher im Rahmen der Steuerreform für eine Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Lohn- und Einkommensteuer ein,” betont Hochhauser.

Die starke Umverteilung habe aber auch ihren Preis, so Hochhauser. Der Anteil der Steuern und Sozialabgaben am BIP betrage in Österreich bereits über 40 Prozent: “Wir sind damit im OECD-Vergleich ein absolutes Hochsteuerland. Auch ist zu berücksichtigen, dass 10% der Lohnsteuerpflichtigen 52% des Lohnsteueraufkommens zahlen. Die Steuerschraube darf daher nicht noch weiter zugedreht werden. Noch höhere Steuern oder neue Steuern auf Eigentum würden den Wirtschafts-und Arbeitsstandort Österreich erheblich unter Druck setzen. Das kann sich unser Land gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten nicht leisten”, so Hochhauser.

Anders bewertet die österreichische Armenkonferenz den aktuellen Sozialbericht: “Dauerhafte Armut bei steigendem Reichtum ist kein Naturgesetz”, kommentiert die Armutskonferenz die Daten des aktuellen Sozialberichts. “Armut und soziale Ungleichheit sind keine Naturereignisse, die es mit jeder frischen Statistik neu zu bestaunen gilt. Es gibt genügend Instrumente und Möglichkeiten in der Schule, beim Wohnen und mit sozialen Dienstleistungen gegenzusteuern.”, so das österreichische Netzwerk, das 500.000 Menschen im Jahr begleitet, unterstützt und mit ihnen für eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen kämpft.

Der aktuelle Sozialbericht ist hier vollständig online abrufbar.

Montag, 19. Dezember 2011, von Elmar Leimgruber

Sozialeinrichtungen fordern Armutsbremse

Rund 1 Million Menschen in Österreich sind armutsgefährdet und für rund die Hälfte davon besteht ein chronischer Einkommensmangel über mindestens 3 Jahre hindurch. Dies geht aus den aktuellen Daten der Statistik Austria hervor. Da 511.000 Menschen “bedrückende Lebensbedingungen” haben, fordert die Armutskonferenz nun eine “Armutsbremse”. “Budgetkonsolidierung und Zukunftsinvestitionen sind kein Widerspruch, sondern gemeinsame Notwendigkeit und Gebot der Stunde”, betont das österreichische Anti-Armutsnetzwerk, dessen Mitgliedsorganisationen (darunter Anton Proksch Institut, Caritas, Jugendvertretung, Arbeiter Samariter Bund, Diakonie, Schuldnerberatung, Heilsarmee, SOS Mitmensch) über 500 000 Hilfesuchende im Jahr unterstützen.

“Es muss europaweit richtig investiert werden und von den Profiteuren der letzten Jahre, den obersten 10 Prozent, ein entscheidender Beitrag zu den Krisenkosten einverlangt werden”, fordert die Armutskonferenz. Österreich liege mit seinen Sozialdienstleistungen unter dem EU-Durchschnitt. Insgesamt entstehen bei Kinderbetreuung wie bei der Pflege Win-win-Situationen zwischen Familieneinkommen, Arbeitsplätzen, Frühförderung von Kindern und Entlastung Angehöriger. Hier gebe es viel ungenütztes Potential, das brach liegen gelassen werde:

“In die Zukunft investieren mit Bildung, Forschung, Kinderbetreuung und Pflege, Konjunktur nicht abwürgen, Jobs schaffen, Budget konsolidieren, Schwächen des Sozialstaats korrigieren, seine Stärken optimieren. Wer sozialer Polarisierung mit all ihren negativen Folgen für die ganze Gesellschaft gegensteuern will, muss nicht nur für die Stabilisierung des Finanz- und Bankensektors eintreten, sondern auch für die Stabilisierung des sozialen Ausgleichs.”

Und die Armutkonferenz weiter: “Das Ende der Krise ist nicht mit dem Steigen der Aktienkurse anzusetzen, sondern mit dem Sinken von Armut und sozialer Ungleichheit. Die Krise ist dann vorbei, wenn die Armut sinkt. Wer sozialer Polarisierung mit all ihren negativen Folgen für die ganze Gesellschaft gegensteuern will, muss nicht nur für die Stabilisierung des Finanz- und Bankensektors eintreten, sondern auch für die Stabilisierung des sozialen Ausgleichs”, so die österreichische Armutskonferenz.

Montag, 31. Oktober 2011, von Elmar Leimgruber

Weltspartag: 10 Prozent besitzen 54 Prozent des gesamten Vermögens

Eine wenig erfreuliche Info zum Weltspartag 2011, der alljährlich am heutigen 31. Oktober begangen wird, bietet in diesem Jahr die österreichische Armutskonferenz: Die reichsten 10 Prozent der  Bevölkerung besitzen über 54 Prozent des gesamten Geldvermögens. Wenn also berichtet wurde, dass jeder Österreicher durchschnittlich um die 50.000 Euro an Geldvermögen besitzt, so stimmt dies so nicht, so die Armutskonferenz. Insgesamt hätten nur zwei Prozent der Sparkonten Einlagen über 50.000 Euro.

Die soziale Ungleichheit wird in und nach Wirtschaftskrisen größer, wie der renommierte britische Sozialwissenschafter Tony Atkinson anhand von vierzig Wirtschaftskrisen beobachtet hat. Der World Wealth Report berichtet bereits wieder von einem Anstieg des Reichtums der Reichsten um 8%, bei gleichzeitiger Armut und Arbeitslosigkeit. “Wir sehen eine zunehmende Ungleichheit innerhalb der Arbeitseinkommen und gleichzeitig eine wachsende Schere durch wieder steigende Vermögenseinkommen bei wenigen ganz oben.”, so die Armutskonferenz, welche Daten der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) zitiert:

“Über zwei Drittel besitzen keine nennenswerten Geldvermögen. Die Hälfte der privaten Haushalte verfügt gar nur über 8% des gesamten Geldvermögens”. Das reichste Prozent (1%) der Haushalte hält demnach 27% des gesamten Geldvermögens. Und das oberste Promill (0,1%) besitzt 8% des Gesamtgeldvermögens. Das entspricht der gesamten unteren Hälfte aller Haushalte, die ebenfalls über 8% des Geldvermögens verfügt.Das Immobilienvermögen privater Haushalte in Österreich beträgt rund 880 Mrd. Euro. 10 Prozent der Österreicher besitzen 61 Prozent von diesem Vermögen (530 Mrd. Euro). 40 Prozent der Menschen in Österreich besitzen gar keine Immobilie. Nur 3 Prozent der Haushalte in Österreich besitzen Anteile an GmbHs, deren Gesamtwert 18,6 Mrd. Euro beträgt. Innerhalb dieser Gruppe ist der Besitz stark auf eine kleine Personengruppe konzentriert: 10 Prozent der Anteilhaber besitzen 92 Prozent der Anteile.

“Der Gini-Koeffizient zur Ungleichheit der Geldvermögensverteilung in Österreich beträgt 0,66 und “liegt damit im internationalen Vergleich eher hoch” so die Armutskonferenz. Der Gini-Koeffizient, ein Maß für Ungleichheit zwischen 0 und 1 (0 heißt alle haben genau gleich viel, 1 heißt einer hat alles) beträgt bei den Haushaltseinkommen europaweit geringe 0,33. Bei den Geldvermögen springt der Gini-Koeffizient auf hohe 0,66 hinauf, bei Immobilienvermögen auf 0,76, bei Unternehmensbeteiligungen auf 0,88 und bei der angeblichen Mittelschichtssache “Erbschaften” auf 0,94.