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Sonntag, 8. August 2010, von Elmar Leimgruber

Indien, die Konjunktur-Lokomotive

Grafik: Booz & Company, nasscom.in

Indien hat sich mit einem Wirtschaftswachstum von aktuell fast 10% zu einer der wichtigsten Konjunkturlokomotiven der Weltwirtschaft entwickelt. Forciert wird dieser Trend von einer soliden Basis gut ausgebildeter Ingenieure, die für internationale Konzerne große Teilbereiche von Forschungs- und Entwicklungsprojekten (F&E) übernehmen. Dies geht aus einer aktuellen Studie der internationalen Strategieberatung Booz & Company hervor, die zusammen mit der National Association of Software and Services Companies (NASSCOM) erstellt und veröffentlicht wurde.
Diese untersuchte die Strategien multinationaler Unternehmen im F&E-Bereich, entsprechende Wachstumstrends in Indien und die Positionierungsoptionen für F&E-Dienstleister in den Wachstumsmärkten der Schwellenländer.Erst kürzlich ging -wie berichtet- aus einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) hervor, dass China im Medien- und Unterhaltungssektor zur Nummer drei weltweit wird.

Laut der aktuellen Booz & Company-Studie “Global ER&D: Accelerating Innovation with Indian Engineering” verzeichnete das aufstrebende Schwellenland alleine in den letzten drei Jahren bei F&E-Dienstleistungen im Engineering-Bereich über 40% Umsatzwachstum und baut seine international bedeutende Rolle weiter aus. Bis 2020 wird der südasiatische Innovationsstandort sein jährliches Umsatzvolumen in diesem Segment von heute 8,3 Mrd. US$ auf dann 40 bis 45 Mrd. US$ steigern. Auch der weltweite Markt für Engineering-Dienstleistungen in F&E-Projekten befindet sich deutlich im Aufwind. So beträgt das jährliche Wachstum aktuell 12% – von 980 Mrd. US$ in 2008 auf 1,1 Bio. US$ in 2009. In zehn Jahren sollen diese F&E-Ausgaben ein Volumen von 1,4 Bio. US$ erreichen. Führend bei diesen Investitionen bleiben die Automobil-, Unterhaltungselektronik- und Telekommunikationsindustrie. Daneben verzeichnen jedoch Branchen wie IT, Medizintechnik und Energie einen deutlichen Aufwärtstrend.

Ein etwas überraschendes Ergebnis der Studie: Im Gegensatz zu den traditionellen F&E-Standorten konnte Indien von den Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise sogar profitieren. “Erstaunlich viele Unternehmen haben im wirtschaftlichen Abschwung seit 2007 strategische Weitsicht bewiesen und die F&E-Budgets im Engineering-Bereich nicht nur konstant gehalten, sondern zum Teil antizyklisch erhöht. Das zahlt sich im Aufschwung aus: Sie können mit innovativen Produkten sehr schnell auf Wachstum umschalten”, betont Stefan Eikelmann, Innovations-Experte und Sprecher der Booz & Company-Geschäftsführung im deutschsprachigen Raum. Dies erklärt das rasante Umsatzwachstum in 2009 um 12% gegenüber dem Vorjahr und die im direkten Vergleich eher gemäßigte Prognose von 27% für die bevorstehende Dekade.

“Indien hat sich von diesem Kuchen ein großes Stück abgeschnitten und agiert über die reine Bereitstellung von standardisierten Ingenieurleistungen hinaus immer stärker mit einem Fokus auf strategische Innovation”, führt Eikelmann weiter aus. Aktuell ist Indien bereits in entscheidende Innovationsprozesse beispielsweise in den Branchen Automobil, Luftfahrt, Telekommunikation und Medizintechnik involviert. Darüber hinaus ist das große Potential hochqualifizierter Ingenieure ein entscheidender Standortvorteil gegenüber anderen aufstrebenden F&E-Märkten, wie China, Mittel- und Osteuropa oder den Ländern der ASEAN. Laut Booz & Company-Studie arbeiten 150.000 von über 1 Million indischen Ingenieuren im F&E-Bereich. Innerhalb der nächsten Dekade werden sie 40% des weltweiten Umsatzes der elf Schlüsselbranchen im Bereich F&E-Offshoring erwirtschaften. “Die Erhöhung der Innovationsbudgets in global agierenden Konzernen verwandelt Indien in ein internationales Zentrum für Ingenieurdienstleistungen und schafft so bis zu fünf Millionen neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze”, sagt Som Mittal, President von NASSCOM.

Für etablierte Märkte wie die USA, die aktuell einen Anteil von 40% an den weltweiten F&E-Ausgaben aufweisen, führt im Engineering-Segment am Standort Indien kein Weg mehr vorbei. Eine große Basis an Dienstleistern, hohe Kommunikationsfähigkeit und strukturelle Kostenvorteile stärken die strategische Position des Landes. Darüber hinaus begünstigen das Wachstum des Binnenmarktes, eine unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik sowie hohe Investitionen in die Infrastruktur den Aufstieg Indiens zur führenden Nation auf diesem Gebiet.

Neben der sich verändernden Rolle Indiens identifiziert die Studie drei weitere Trends im weltweiten Anstieg der F&E-Ausgaben. So halten internationale Unternehmen erhebliche F&E-Investitionen vor allem dann für unerlässlich, wenn es darum geht, neue Märkte zu erschließen. Dazu nehmen technologische Herausforderungen, wie der zunehmende Automatisierungsgrad in der Produktion, die Suche nach alternativen Antriebsformen oder die voranschreitende Technologiekonvergenz, starken Einfluss auf F&E-Entscheidungen. Zuletzt haben F&E-Dienstleistungen insgesamt an Ansehen gewonnen: “Unternehmen lagern Engineering-Projekte nicht mehr nur aus Kostengründen aus, sondern profitieren auch von den flexiblen Ressourcenkapazitäten, verkürzten Vorlaufzeiten und auf die Bedürfnisse von Schwellenländern angepassten Produkten”, ergänzt Eikelmann.

Das 1914 gegründete internationale Strategie-Beratungsunternehmen Booz & Company ist mit mehr als 3300 Mitarbeitern in 60 Büros auf allen Kontinenten eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Zu den Klienten gehören neben erfolgreichen Unternehmen auch Regierungen und Organisationen. Die aktuelle Studie von Booz ist hier downloadbar.