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Freitag, 17. Februar 2012, von Elmar Leimgruber

EU-Parlament sorgt sich um EU-Grundrechte in Ungarn

Ungarns Regierungschef Victor Orban vor dem EU-Parlament
Foto: © EU-Parlament

Ungarn mit seinem Regierungschef Victor Orban (Fidesz) steht unter Beobachtung des EU-Parlaments. In einer nicht bindenden  Resolution wird die EU-Kommission aufgefordert, mögliche Änderungen und Umsetzungen der ungarischen Gesetze genau zu verfolgen. Das Europäische Parlament ist “zutiefst besorgt über die Lage in Ungarn in Bezug auf die Praxis der Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, die Achtung und den Schutz der Menschenrechte und der sozialen Rechte, die Gewaltenteilung, die Gleichheit und das Diskriminierungsverbot”.

Ungarn muss die Grundwerte der EU einhalten, sind die Abgeordneten überzeugt. Das EU-Parlament hat daher am Donnerstag entschieden, zu untersuchen, ob EU-Rechte und Grundwerte in Ungarn geachtet werden. Zusätzlich zum Bericht wird dann darüber entscheiden, ob Artikel 7 des EU-Vertrags aktiviert werden soll. Artikel 7 wird benutzt, um eine eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte der Union zu prüfen. Das Parlament beauftragt den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres in Zusammenarbeit mit der Kommission, dem Europarat und der Venedig-Kommission weiterzuverfolgen, wie die Empfehlungen der Kommission und des Europäischen Parlaments umgesetzt wurden und hierzu einen Bericht vorzulegen.

Die Abgeordneten fordern konkret die Kommission dazu auf, die Rechtsvorschriften Ungarns und ihre Umsetzung sorgfältig auch darauf hin zu prüfen, ob sie nicht nur buchstabengetreu, sondern auch mit dem Geist der europäischen Rechtsvorschriften im Einklang stehen. Die Kommission soll eine eingehende Studie in Auftrag geben, um die folgenden Punkte zu gewährleisten:

- die vollständige Unabhängigkeit der Justiz,
- dass die Regelungen über die ungarische Nationalbank mit den Rechtsvorschriften der EU vereinbar sind,
- dass die institutionelle Unabhängigkeit in Bezug auf Datenschutz und Informationsfreiheit wiederhergestellt und garantiert ist,
- dass die Befugnis des Verfassungsgerichts zur Prüfung sämtlicher Gesetze in vollem Umfang wiederhergestellt wird, einschließlich des Rechts auf Prüfung von Haushalts- und Steuergesetzen,
- dass die Medienfreiheit und der Medienpluralismus im Wortlaut und bei der Durchführung des ungarischen Mediengesetzes garantiert werden,
- dass das neue Wahlgesetz den demokratischen Normen der EU entspricht und der Grundsatz des politischen Wechsels geachtet wird,
- dass das Recht auf Ausübung politischer Opposition auf demokratischem Wege innerhalb und außerhalb der Institutionen gewährleistet ist,
- dass das Gesetz über Kirchen und Glaubensgemeinschaften die Grundsätze der Gewissensfreiheit achtet und auch davon Abstand genommen wird, die Registrierung von Glaubensgemeinschaften einer Billigung durch das Parlament Ungarns mit Zweidrittelmehrheit zu unterwerfen.

Die ungarischen Behörden indes müssen den Empfehlungen, Einwänden und Forderungen der Kommission, des Europarats und der Venedig-Kommission nachkommen und die betroffenen Gesetze unter Einhaltung der Grundwerte und Normen der EU abändern, heißt es in der von Fraktionen S&D, ALDE, Grünen/EFA und der VEL/NGL-Fraktion vorgelegten Entschließung. Der Text wurde mit 315 Ja-Stimmen bei 263 Nein-Stimmen und 49 Enthaltungen angenommen.

 

 

Zum Hintergrund der Aktion des EU-Parlaments: Am 18. April 2011 hat das ungarische Parlament die neue Verfassung angenommen, die am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist. Am 17. Januar 2012 hat die Europäische Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn in drei Angelegenheiten eingeleitet und hat daher auch Regierungschef Victor Orban bereits am 18. Januar nach Straßburg zitiert: in Bezug auf die Unabhängigkeit der ungarischen Zentralbank, die Herabsetzung des verbindlichen Ruhestandsalters von Richtern von 70 auf 62 Jahre und die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde. Die Kommission hat die staatlichen Stellen Ungarns außerdem um weitere Informationen über die Unabhängigkeit der Justiz ersucht hat. Die ungarische Regierung hat einen Monat Zeit, um darauf zu reagieren.