Für mich als bekennenden (fast nur) Ö1-Hörer überraschend spannend fiel die gestrige Podiumsdiskussion “Privatradio contra öffentlich/rechtliches Radio: Hat Qualitätsradio im Internetzeitalter noch eine Zukunft?” des Österreichischen Journalisten Club (ÖJC) aus: Die Fronten zwischen Ö1-Chef Alfred Treiber und dem Vorsitzenden des Verbandes Österreichischer Privatsender Christian Stögmüller blieben bis zum Schluss -ausser im Bereich Internet, das beide vor allem als Ergänzung zum UKW-Programm als Mittel der Kundenbindung für äusserst nützlich halten- verhärtet:
Dem ORF gehe es überhaupt nicht darum, “Kohle zu machen”, während die Privatsender nur aus Profitgründen bestünden, was er gänzlich ablehne, provozierte Treiber: “Das alles interessiert mich einfach nicht, das ist alles Lu Lu” und Ö3 sichere halt als kommerziell erfolgreichster Sender die Finanzierung von Ö1. Und der ORF verschwende schon lange kein Geld mehr, sondern im Gegenteil: Er finde es sogar “unsittlich”, wenn manche junge ORF-Mitarbeiter nur 700-800 Euro pro Monat verdienten, erklärte der Ö1-Chef.
Niemand von den Eigentümern der Privatsender verdiene grosses Geld und deren Gründung hatte auch in erster Linie demokratiepolitische Gründe, entgegnete Stögmüller. Und laut Rechnungshof betrage das Durchschnittsgehalt eines ORF-Mitarbeiters 100.000 Euro.
Und die Redakteure im Privatradiobereich verdienten auch ein gutes Gehalt, weil “die schlechten nimmt niemand und die guten würden sonst abgeworben”, sagte Stögmüller. Er befürworte zudem die Vollfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Radios durch Gebühren. Aber beispielsweise das Programm von Ö3 entspreche abgesehen von den Nachrichtenjournalen keineswegs dem öffentlich-rechtlichen Auftrag und daher müsste dieses Programm denselben finanziellen Voraussetzungen unterliegen wie private Programme, erklärte der Vertreter der Privatradios.
Kommerzielle Radios hätten nirgendwo Überlebensprobleme, Kulturradios hingegen schon und auch Ö1 müsse derzeit schon Kosten einsparen, was er bedauere, weil ein hochwertiges Programm nur mit einem gewissen Budget machbar sei, betonte Treiber. “Aber das duale System ist ein Blödsinn. Denn gute Information ist auch Unterhaltung.” Natürlich sei es aber notwendig, die Strukturen zu überdenken und publikumswirksamer zu agieren, erklärte der Ö1-Chef. “Trimedial ist sinnvoll”, entgegnete Stögmüller. In jedem Fall seien Unterhaltung und Information notwendig: “Wir leben von Lokalinformation,die wir bieten”.
Alfred Treiber kritisierte bei der gestrigen Podiumsdiskussion auch die sogenannte “Entpolitisierung” des ORF als reine Kosmetik: Die aktiven Politiker hätten den ORF zwar offiziell verlassen, doch an deren Stelle sässen nun Marionetten, die bei allen Entscheidungen bei den aktiven Politikern nachfragen müssten: dies mache schnelle Entscheidungen unmöglich. Er wünsche sich daher die Rückkehr der aktiven Politiker in den Stiftungsrat des ORF, erklärte der Ö1-Chef.
Die über zwei Stunden andauernde Podiumsdiskussion unter der Leitung von ÖJC-Präsident Fred Turnheim ist übrigens auch als Videopodcast online.