Mit ‘Justiz’ getaggte Artikel

Mittwoch, 20. April 2011, von Elmar Leimgruber

Das kann Spindeleggers Mannschaft leisten:

Das neue ÖVP-Regierungsteam (v.l.n.r.): Kurz, Waldner, Karl, Spindelegger, Fekter, Töchterle, Mikl-Leitner
Foto: © ÖVP Jakob Glaser

Nun steht sie also: die neue ÖVP-Regierungsmannschaft unter ihrem designierten Parteichef Michael Spindelegger:

Dabei ändert sich Einiges: Während die bisherige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner sowie Familien-Staatssekretärin Verena Remler und Finanz-Staatssekretär Reinhold Lopatka aus der Regierung ausscheiden, wird die bisherige Innenministerin Maria Fekter Finanzministerin und die derzeitige Wissenschaftsministerin Beatrix Karl Justizministerin. Neue Innenministerin wird die Niederösterreicherin Johanna Mikl-Leitner und sie erhält mit dem erst 24-jährigen JVP-Chef Sebastian Kurz einen Integrations-Staatssekretär.

Ebenfalls neu im Regierungsteam ist der Rektor der Universität Innsbruck, Karlheinz Töchterle, während Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Nikolaus Berlakovich (wer?) ihre Posten behalten wie auch sein Parteichef Spindelegger Aussenminister bleibt. Das Aussenministerium erhält zudem mit Museumsquartier-Chef Wolfgang Waldner einen Staatssekretär, während das Familien-Staatssekretariat in der neuen Regierungsmannschaft fehlt. An Stelle des scheidenden ÖVP-Generalsekretärs Fritz Kaltenegger übernimmt nun der Tiroler Hannes Rauch diese Position.

Der erst 24-jährige JVP-Chef und Jus-Student Sebastian Kurz wird neuer Staatssekretär für Integration

Über das, was ich mir von der ÖVP unter dem neuen Parteichef Michael Spindelegger erwarte, habe ich bereits geschrieben. Jetzt geht es darum zu sehen, ob das neue ÖVP-Regierungsteam in der Lage ist, die ÖVP aus der tiefsten Krise seit ihrer Gründung herauszuführen. Einiges spricht dafür, so auch, dass die Grünen einen Rechtsruck und die FPÖ einen Linksruck orten:

Eine harte Linie der Unterscheidung zwischen “echten” Flüchtlingen und Zuwanderungswilligen aus finanziellen Gründen gemäß den Richtlinien sowohl der UNO als auch der EU ist sicherlich weiterhin sinnvoll und die bislang in NÖ für die Bereiche Soziales und Familie zuständige Landesrätin Johanna Mikl-Leitner dürfte hierfür auch die entsprecheden Fähigkeiten mitbringen. Dass ihr mit JVP-Chef Kurz ein Staatssekretär für Integration zur Seite gestellt wird, zeigt, dass die ÖVP die Anliegen der Jugend ernst nimmt. Ich appelliere daher an die Kollegen im Medienbereich, ihn nicht von vorne herein negtaiv zu schreiben, sondern ihm die Chance zu arbeiten zu lassen.  Ich bin gespannt und neugierig, wie sich der junge Wiener in dieser zweifelsohne schwierigen Funktion behaupten wird. Ich traue sie ihm -trotz seines katastrophalen und äusserst peinlichen Wiener Geil-O-Mobil-Wahlkampfes (es ist nicht geil, selbst Geld zum Fenster rausschmeissen zu können, wo viele andere Jugendliche sich kaum das Nötigste zum Leben leisten können!) und entgegen vielen anderen Kommentatoren- durchaus zu, befürchte aber gleichzeitig, dass er sowohl von Medien, als auch von den Oppositionsparteien, aber leider auch parteiintern in der ÖVP politisch “verheizt” werden könnte. In diesem Fall würde ich ihm empfehlen, rechtzeitig auszusteigen.

Innsbrucks Uni-Rektor Töchterle ist sicherlich DIE Überraschung in der Regierungsmannschaft, kommt er politisch doch eher von den Grünen. Dass er in punkto Universität als direkt Betroffener auch schon bisher den ÖVP-Standpunkt vertreten hat, war für diese Ernennung sicherlich hilfreich. Und es ist wünschenswert, dass Töchterle nicht nur den Weg von vernünftigen Zugangsbeschränkungen verbunden mit mässigen Studiengebühren fortführt, sondern auch und vor allem dafür sorgt, dass die Universitäten (nicht nur von der öffentlichen Hand) die nötigen Gelder erhalten, um längerfristig finanziell überleben zu können. Zudem sind Universitätsreformen überlegenswert, die auch dazu führen könnten, dass wenigstens so manche unnötige Fachhochschule zumindest teilweise überflüssig wird.

Für die öffentlichen Gelder wird in Zukunft Maria Fekter zuständig sein, was ich durchaus für vernünftig halte. Sie hat in der Innenpolitik Standhaftigkeit bewiesen und wird dies hoffentlich auch in Budgetfragen beweisen: Wenn Österreich nicht auch in ein paar Jahren den EU-Rettungsschirm beanspruchen will, muss ein strikter Sparkurs gefahren werden, der auch nicht Halt vor Verwaltungsreformen und -aus Verantwortung den künftigen Generationen gegenüber- auch nicht bei schmerzhaften Einschnitten im Pensionssystem Halt machen darf. Fekter dürfte für diese Ausgabe geeignet sein.

Dass Beatrix Karl nun vom Wissenschafts- ins Justizministerium wechselt, ist zweifelsohne als Kompromiss zu deuten: Sie wird zwar einerseits -wie auch bisher- hierzu ihren Standpunkt vertreten und wird zudem das Gespräch zu ihren Beamten, Richtern und Staatsanwälten suchen. Ob die Grazer Jus-Professorin auch für mehr Transparenz und ein positiveres Image der Justiz wird sorgen können, wird sich zeigen. Der angeblich nicht gefragte ex-Rechnungshofpräsident und jetzige Korruptionsjäger Franz Fiedler wäre sicherlich eine Idealbesetzung für diesen Posten gewesen, aber ich fürchte, er hätte wohl den beiden Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP in dieser Funktion mehr Sorgen als Freude bereitet.

Während Reinhold Mitterlehners (der übrigens bei der Vorstellung der neuen Mannschaft fehlte) Wirtschaftspolitik Zweifel an seiner Kompetenz aufkommen lassen, -ganz zu scvhweigen von seiner desaströsen Einstellung zum Thema Familie, für das er ebenfalls zuständig ist- verwundert mich die Verlängerung seiner Funktion, die allerdings spätestens dann enden dürfte, wenn -und diese Spekulation sei mir gestattet- der jetzt neu ernannte Staatssekretär im Aussenministerium,Wolfgang Waldner, dessen Nachfolge antritt. Dieser hat bewiesen, dass er wirtschaftlich und dennoch auch künstlerisch erfolgreich arbeiten kann.

Was mich indes aber wirklich stört ist das, was mich seit Langem an der “neuen” ÖVP stört: Nicht nur, dass Familien, Kinder, Jugendliche und Studenten im letzten Bundesregierungs-Budget durch unsoziale und unverantwortliche Streichungen ganz besonders belastet wurden: in der Regierung Spindelegger fehlt das Familien-Staatssekretariat. Da “Familienminister” Mitterlehner schon eine Fehlbesetzung diesbezüglich darstellt, ist die zusätzliche Streichung des Familien-Staatssekretariats ein sehr schlechtes Signal. Da tröstet es wenig, dass Neo-Parteichef Spindelegger das Thema Familie, das ihm zweifelsohne persönlich (aber auch als Politiker?) wichtig ist, zur Chefsache erklärt hat. Und hier nehme ich ihm beim Wort, vor allem, was die Budgets der kommenden Jahre betrifft: die Familie muss wieder -auch die finanzielle- Grundfeste der Gesellschaft sein. Und -nicht nur in diesem Punkt- muss Spindelegger zeigen, dass er nicht jene”graue Maus” ist, dessen Image ihm anhaftet, sondern dass er klare und eindeutige Entscheidungen trifft und auch gegenüber dem Koalitionspartner SPÖ durchkämpft.

Spindelegger hat jetzt zwar seine Regierungsmannschaft “der besten Köpfe” bestellt. Aber ob dies alles auch zu einer Trendwende der ÖVP zurück zu einer echten Volkspartei, zu einer Partei für das Volk führen wird, hängt maßgeblich von seiner Persönlichkeit als Führungskraft und realistischen Visionär ab. Und hier heisst es ab sofort: kräftig zubeissen in den sauren Apfel.

Weitere politische Kommentare (Auswahl):

- über Spindelegger und die Zukunft Österreichs

- über das flüchtlingsbelagerte Italien und mangelnde Solidarität der EU

- zum Thema: Führungswechsel in der ÖVP: jetzt!

- über den Korruptions-Sumpf

- über das Unsolidarische in der EU

- über die orientierungslosen Deutschen

- Zum Thema Atomenergie

- über Südtirols Nein zu den italienischen Einheitsfeiern

- über die Macht des Wiener Bürgermeisters und seine Marionetten

- über die ÖVP im Sterben

- zum Budget 2011

- zum Wiener Wahlergebnis

- im Vorfeld der Wien-Wahl

- zur Machtergreifung der SPÖ im ORF

- über Freie Medien

- über die österreichische Bundesregierung

- über den Medienmacher Hans Dichand

- über HC Strache

- über SPÖ Niessl

- über Helmut Zilk

- über Bruno Kreisky

Donnerstag, 6. Januar 2011, von Elmar Leimgruber

Neuerungen der Öffentlichen Verwaltung sind online

Wer wissen will, wie viel beispielsweise ein neues Visum in Österreich kostet oder welche Förderung es künftig für thermische Sanierungen geben wird, was die politischen Parteien an öffentlichen Förderungen erhalten, kurz, was es Neues in der Öffentlichen Verwaltung gibt, kann dies heuer erstmals auch unkompliziert und zuverlässig online recherchieren. Die Redaktion des elektronischen Amtshelfers HELP.gv.at hat eine Übersicht jener Änderungen erstellt, die 2011 in den Bereichen Verfassung, Verwaltung, Medien, Internationales, Justiz, Finanzen, Inneres, Landesverteidigung, Wirtschaft, Arbeit und Soziales, Dienst- und Besoldungsrecht, Gesundheit, Familie, Umwelt sowie Verkehr und Innovation anfallen werden. Mit dieser Initiative können Informationen über geänderte Gesetzeslagen transparent und bürgernah dargestellt und abgerufen werden. Die
thematisch strukturierten Inhalte betreffen nicht nur Neuerungen aufgrund des Budgetbegleitgesetzes, sondern beispielsweise auch zahlreiche Hinweise für Familien, für Konsumentinnen und Konsumenten. Der Überblick aller Neuerungen der öffentlichen Verwaltung findet sich auf: http://www.help.gv.at/Content.Node/340/Seite.340606841.html .

Sonntag, 26. September 2010, von Elmar Leimgruber

Pressefreiheit bedeutet nicht journalistische Willkür

Elmar Leimgruber
Foto: © Leimgruber

Vorausgeschickt: Ja, die Pressefreiheit ist in Gefahr, und zwar nicht nur in irgendwelchen Entwicklungsländern, sondern auch in Europa und hier wie in Italien und in anderen Ländern auch in Deutschland und Österreich. Dies hat in erster Linie wirtschaftliche Gründe, denn rein durch Abonnement-Einnahmen können sich viele Medien nicht finanzieren, wodurch ein problematisches Spannungsfeld zwischen journalistischer Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Zwängen entsteht.

Und dann gibt es in jedem Land auch noch so genannte staatsnahe Medien, die von der jeweiligen Regierung kontrolliert werden. So kam in Österreich unter der schwarz-blauen Regierung ein “schwarzer” Chefredakteur an die Spitze der “Wiener Zeitung” und wurde prompt von einem “roten” abgelöst, als der rote Faymann Bundeskanzler wurde. Und beim ORF ging es seit der letzten rot-schwarzen Regierung noch weit unverfrorener her:

In der schwarz-blauen-orangen Regierungszeit wurde nur versucht, ein gewisses politisches “Gleichgewicht” der einzelnen Parlaments-Parteien im ORF herzustellen, was jene Leute im ORF, die es gewohnt waren, politisch immer nur unter ihresgleichen zu sein, verstörte und die SOS ORF gegen die vermeintliche politische Vereinnahmung des ORF ins Leben rufen liess.

Was hingegen seit der Regierung des roten Kanzlers Faymann im ORF vor sich geht, hat mit Meinungsvielfalt und Demokratie nichts mehr gemeinsam: Nicht nur, dass er -wie berichtet- alle ihm -leider- per Gesetz zustehenden Publikumsräte ausschliesslich aus den Reihen seiner Partei der SPÖ rekruitierte, und damit das Sehervotum nicht nur ignorierte, sondern im Nachhinein zu seinem Vorteil manipulierte (und ich höre nach wie vor niemanden im ORF und kaum wen ausserhalb, der gegen eine solch haarsträubende politische Einflussnahme und Umfärbung auftritt), sondern alle wichtigen Umbesetzungen der Spitzenfunktionen der letzten Monate waren SPÖ-Sympatisanten. Gegen solche Vorgänge und Einmischungen müssten Journalisten und ihre Standesvertretungen protestieren, das passiert aber leider nicht. Es scheint fast, es herrscht chronische Blindheit auf dem einen Auge. Bezüglich ORF und Politik stehe ich übrigens nach wie vor (wenn ein politisch unabhängiger ORF schon nicht möglich und offenbar auch nicht erwünscht ist) für einen ORF, in dem alle Parlamentsparteien je nach ihrer Stärke vertreten sind.

Und dann gibts in Österreich noch die “Kronenzeitung”, die sich offenbar nicht zu schade dafür ist, nach den Treueschwüren der SPÖ-Spitze vor einiger Zeit dem Medium gegenüber, derlei aktiv Parteipropaganda für die SPÖ zu betreiben, dass deren Funktionäre schon gebeten wurden, der “Krone” passende Promotion-Artikel zukommen zu lassen.

Also nein: Es herrscht nicht wirklich Pressefreiheit, wenn reichweitenstärkste Medien eines Landes (ORF, “Krone”, “Österreich” und in letzter Zeit vermehrt auch “heute”) wohlwollende Hofberichterstattung für die SPÖ liefern (müssen). Und dies ist der eigentliche Skandal: dass das Medien- und Machtimperium in Österreich vor allem von einer einzigen Partei kontrolliert wird: der SPÖ.

Aber derzeit gegen die Wogen hoch im Zusammenhang mit zwei konkreten Rechts-Fällen, wo manche Journalisten ihre Befürchtung bestätigt sehen, dass die Pressefreiheit in Gefahr ist. Dabei handelt es sich hier um zwei grundunterschiedliche Ereignisse:

Im ersten Fall hatte vor einigen Tagen die Oberstaatsanwaltschaft Wien Journalisten der Nachrichtenmagazine “profil” und “News” im Rahmen einer Beschuldigteneinvernahme vernommen, weil diese aus dem Gerichtsdossier in der Causa “Hypo Alpe-Adria” berichtet hatten, was jedoch in Österreich nicht strafbar ist. Weil es hierbei aber um einen “Tatbestand” in Deutschland handelt, hatte die Staatsanwaltschaft München aber die Einvernahme der österreichischen Journalisten in Wien verlangt.

Bei allem Verständnis dafür, dass die Justiz -zu Recht- ein berechtigtes Problem mit eigenen “Maulwürfen” hat: Erstens ist das Zitieren aus Gerichtsakten in Österreich nicht strafbar und zweitens gilt das Redaktionsgeheimnis verbunden mit dem Schutz der jeweiligen Informanten. Es ist ist Aufgabe der Justiz, ihre “2undichten Stellen” selbst ausfindig zu machen und nicht Journalisten damit zu quälen. Geschieht es dennoch, handelt es sich auch für mich eindeutig um eine Gefährdung der Pressefreiheit.

Im zweiten Fall hatte bereits vor Monaten die “Am Schauplatz”-Redaktion des ORF eine Dokumentation über Skinheads vorbereitet und diese offenbar zu einer Veranstaltung von FPÖ-Chef Strache gebracht. Und hier stehen nun Aussage gegen Aussage: Strache behauptete, dass Redakteure die Skinheads zur Naziparolen anstifteten und erstattete Anzeige wegen “Wiederbetätigung”. Der ORF stellte sich schützend hinter seine Redakteure, die ihre Unschuld beteuerten. Die Staatsanwaltschaft forderte daraufhin sofort die Herausgabe des gefilmtes Materials. Erst viele Stunden später und erst am nächsten Tag übergab der ORF einen Teil des Filmmaterials. Der ORF verklagte daraufhin Strache.

Jetzt Monate später wurde mitgeteilt, dass laut einem Gutachter auf dem abgegebenen Filmmaterial keine Manipulationen erkennbar sind. Und wenige Tage später hob das Parlament die Immunität des FPÖ-Chefs auf, um ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröfffnen zu können. Und in Folge wurde vom ORF durch Beschluss des OLG Wien auch die Herausgabe des restlichen Filmmaterials gefordert.

Der Aufstand des ORF und weiterer Medien war gross und man ortete einen schwerwiegenden Angriff gegen die Pressefreiheit und das Redaktionsgeheimnis.

Aber hier kann ich beim besten Willen nicht mit: Es überrascht und mich und erfüllt mich mit Sorge, dass ausgerechnet auch jene journalistischen Kollegen, die bei politischen Gegnern dauernd der Justiz Untätigkeit vorwerfen, wenn sie vermutliche “Skandale” über diese aufgedeckt haben, jetzt “Skandal” und “Rettet die Pressefreiheit” schreiben. Wäre ihr Gerechtigkeitssinn so ausgeprägt, wie sie ihn für sich selbst gern beanspruchen und einfordern, müssten sie auch in diesem konkreten Fall entschieden für die volle Aufklärung eintreten, schon ihrer eigenen Glaubwürdigkeit wegen:

Wenn mir als Journalist ein Politiker unverfroren vorwirft, ich manipuliere, dann lege ich mein Material sofort und vollständig und freiwillig vor Zeugen offen und überführe ihn der Verleumdung. Und das ist meines Erachtens in diesem Fall der einzig richtige Weg, wenn man “unschuldig” ist. Die “Am Schauplatz”-Redaktion und mit ihr der ORF haben sich hingegen für einen Weg entschieden, der Vertuschung vermuten lässt. Sich hier auf das Redaktionsgeheimnis und die Pressefreiheit zu berufen, klingt zumindest nach einer billigen Ausrede, weil man (zu Recht?) nicht zu dem stehen kann, was man als Journalist tut.

Und dass in diesem Fall auch noch durch Anzeige des ORF die Immunität eines Abgeordneten aufgehoben wurde, um ein gerichtliches Verfahren zu ermöglichen, kommt erschwerend dazu. Wie soll man ein Verfahren gegen wen führen können, wenn die Beweismittel nicht verwendet werden dürfen?

In diesem Fall bezüglich dieser so genannten “Skinhead-Affäre” halte ich den Schrei nach dem Schutz der Pressefreiheit nicht nur für eine Überreaktion, sondern für vollkommen unangebracht und unberechtigt. Hier sollen die Redakteure zu dem stehen, was sie produziert haben; das hätten sie sofort und ohne gerichtliches Urteil machen sollen, schon um ihre -sofern es diese gibt- Unschuld zu beweisen.

Ich bin hier für eine lückenlose und vollständige Aufklärung der Causa, und zwar ohne irgendwelche politischen oder sonstigen Rücksichten, weder auf Strache, noch auf die betreffende Redaktion.

Und obwohl ich in diesem Fall keinerlei Verletzung weder des Redaktionsgeheimnisses noch der Pressefreiheit feststellen kann, aber im zuerst genanntenFall sehr wohl und weil die Pressefreiheit ein unersetzbarer Wert für die demokratische Gesellschaft darstellt, nehme ich auch am einmaligen Krisen-Journalistentreff am Montag Abend teil, um mit besorgten Kolleginnen und Kollegen Massnahmen gegen die Aushöhlung der Pressefreiheit zu diskutieren.

Übrigens: es sollte zwar selbstverständlich sein, aber ich erinnere dennoch daran: Als Journalist tragen wir eine grosse Verantwortung: nicht nur nur dem Chefredakteur oder dem Verleger gegenüber, sondern vor allem uns selbst und den Menschen gegenüber, für die wir berichten, und natürlich auch jenen gegenüber, über die wir recherchieren. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein.

Weitere Beiträge zum Thema:

Weitere Beiträge zum Spannungsfeld PR, Unabhängigkeit, Korruption und Glaubwürdigkeit der Medien:

- Deutsche Bundeskanzlerin Merkel plädiert für Pressefreiheit (Info)

- Mobbing, Machtkämpfe und Postenschacher im ORF (Info)

- Deutscher PR-Rat fordert Trennung von Redaktion und Werbung (Info + Kommentar)

- Journalisten und Juristen warnen: Meinungsfreiheit in Gefahr (Info)

- DJV und ROG kritisieren Sachsen-Sumpf-Urteil gegen Journalisten (Info)

- Kardinal Schönborn zum Thema Macht und Verantwortung am Beispiel Dichand

- Berlusconi und die Pressefreiheit (Info)

- Politische Unabhängigkeit und wirtschaftliche Zwänge (Kommentar)

- dpa klagt Verkehrsministerium (Info + Kommentar)

- Journalistenclub: Pressefreiheit braucht keine Fesseln (Info)

- SOS ORF: Warum wehren sich die ORF-Redakteure nicht gegen Faymanns Bevormundung? (Kommentar)

- Für Verantwortung im Journalismus UND Pressefreiheit (Kommentar)

- Verbrechen und journalistische Verantwortung (Kommentar)

- Deutscher Journalistenverband ortet Bedrohung des Journalistenberufs (Info)

- Journalisten sind manipiuliert, korrupt und Lügner (Info)

- dpa-Chefredakteur plädiert für mehr Mut im Journalismus (Info)

- Was macht einen Terroristen aus? (Kommentar)

- Press Freedom Award 2010 (Info)

Samstag, 14. August 2010, von Elmar Leimgruber

Reporter ohne Grenzen und DJV kritisieren “Sachsen-Sumpf”-Urteil gegen Journalisten

Die verurteilten Reporter Arndt Ginzel und Thomas Datt
Foto: ROG © Jan Zappner

Am Freitag, 13. August, hat das Dresdner Amtsgericht die beiden Reporter Thomas Datt und Arndt Ginzel zu 50 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt, weil sie sich im Zusammenhang mit der sogenannten “Sachsen-Sumpf”-Affäre nach Ansicht des Gerichts der üblen Nachrede schuldig gemacht haben. Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert dieses Urteil als “Skandal”:

In vielen Ländern der Welt seien Journalisten willkürlichen Strafverfahren wegen Verleumdung ausgesetzt. Fast immer sei dies ein Vorwand, um Pressefreiheit zu unterdrücken. “Der Dresdner Prozess zeigt das gleiche Muster: Justizbehörden benutzen das Strafrecht gegen unliebsame Journalisten”, reagiert ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) kritisiert das Urteil: In Zukunft könnte nun auch anderswo versucht werden, “kritisch und investigativ recherchierende Journalisten einzuschüchtern,” befürchtet DJV-Chef Michael Konken. “In Anklage und Prozess wurden völlig normale journalistische Arbeitsabläufe und Handlungen kriminalisiert. Das können wir nicht hinnehmen“, erklärte die sächsische DJV-Landesvorsitzende Sabine Bachert. Man werde die Urteilsbegründung abwarten und behalte sich weitere Schritte vor, so der DJV-Landesverband Sachsen, der die beiden freien Journalisten juristisch berät.

Gegenstand der Anklage sind Artikel im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” und bei “Zeit Online” aus dem Jahr 2008 zum “Sachsen-Sumpf” – eine mögliche Korruptionsaffäre, in dem es auch um eventuelle Verstrickungen ranghoher sächsischer Justizvertreter geht. Ginzel und Datt waren Autoren des “Zeit Online”-Berichts und an dem “Spiegel”-Artikel als Co-Autoren beteiligt. Ihnen werden ehrverletzende Tatsachenbehauptung, üble Nachrede und Verleumdung vorgeworfen. Der Hintergrund der Anklage ist hier online abrufbar. Der entsprechende Beitrag bei “Zeit Online” kann hier gelesen werden.

ROG und DJV hatten bereits im Vorfeld der Gerichtsverhandlung Freispruch für die beiden Journalisten gefordert:

“Eine Verurteilung der beiden Journalisten würde den Rechtsstaat beschädigen und die Pressefreiheit verletzen”, betonte die stellvertretende Bundesvorsitzende des DJV, Ulrike Kaiser: “Das Verfahren war und ist in unseren Augen der Versuch der Einschüchterung von investigativ recherchierenden Journalisten.” Im Prozess wurde laut DJV durch Zeugenaussagen und Akten, die durch die Angeklagten eingeführt wurden, erwiesen, dass es die im Bericht aufgezeigten Unstimmigkeiten tatsächlich gab”. Und zudem sollte in diesem Fall “auch die mögliche Einflussnahme von Landesbehörden auf das Strafverfahren gegen die beiden freien Journalisten aufgeklärt werden”. “Eine Verurteilung wäre nicht nachvollziehbar”, so Kaiser.

“Journalistische Handlungen werden in dem Prozess zu Unrecht kriminalisiert. Eine der wichtigsten Funktionen der Medien ist es, Missstände aufzudecken. Eine Verurteilung würde künftige Berichterstattung zu Korruptionsaffären behindern und damit die Pressefreiheit beeinträchtigen,” warnte Rediske: “Schon die Einleitung des Strafverfahrens gegen die freien Journalisten Arndt Ginzel und Thomas Datt, die im so genannten “Sachsen-Sumpf” recherchiert hatten, sei mehr als fragwürdig gewesen. Schließlich hätten sich die Nebenkläger nicht einmal getraut, presserechtlich gegen die angeblich diffamierenden Äußerungen vorzugehen”. Zudem habe viel in dem Prozess darauf hingedeutet, “dass Behörden Druck auf investigativ recherchierende Journalisten ausüben wollen”, kritisiert Rediske.

Montag, 9. August 2010, von Elmar Leimgruber

Des Bundespräsidenten Kompetenzüberschreitung

Bundespräsident Heinz Fischer
Foto: Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

Dem aktuellen österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer wurde in den vergangenen Jahren -vor allem von seinen Parteigenossen- immer wieder vorgeworfen, zu wenig Stellung zu beziehen, und dies teilweise sogar zu Recht, wenn ich mir auch inhaltlich in einigen Fällen sicherlich ganz andere und neutralere Statements des Staatsoberhauptes gewünscht hätte als seine Parteifreunde.

In seinem letzten Wahlkampf, in dem er sich (obwohl seit jeher und immer SPÖ-Parteigänger) als parteiunabhängigen Bundespräsidenten darstellen liess, versprach Fischer dann, in Zukunft mehr Stellung zu aktuellen Themen beziehen zu wollen. Würde er als tatsächlich parteiunabhängiger Bundespräsident agieren wollen, könnte man sein Einmischungsversprechen in die Tagespolitik durchaus positiv deuten, obwohl ihm dies laut österreichischer Verfassung zumindest rechtlich nicht wirklich zusteht. Aber im Prinzip würde dies dennoch wahrscheinlich niemanden stören, wenn er eben -wie sicherlich in der Bevölkerung mehrheitlich gewünscht- tatsächlich interessens- und parteiunabhängig und für alle Menschen im Land agieren und Stellung beziehen würde.

Da sich Fischer (der seine Mitgliedschaft in der SPÖ, für die er seit 1962 als Funktionär tätig ist, zwar offiziell ruhend gestellt hat) aber einer abermaligen Wahl zum Bundespräsidenten aus rechtlichen Gründen nicht mehr stellen kann und daher nix mehr zu verlieren hat, offenbart er seit seinem zweifelhaften Wahlsieg (nicht mal die Hälfte der Wahlberechtigten beteiligte sich an der Wahl) immer stärker, wo er politisch steht: Er ist der Förderer und Beschützer seiner sozialdemokratischen Genossen:

So will Fischer als Staatsoberhaupt zwar einerseits den geplanten landtagswahlenbedingten Verfassungsbruch (siehe: http://www.redakteur.cc/bundesregierung-wahrheit/) durch die aktuelle SPÖ/ÖVP-Bundesegierung unverständlicherweise nicht “hochspielen”, sondern eher decken, andererseits aber erzürnt er sich über das medial hochgebauschte Randthema, dass es in manchen Kärntner Gemeinden die längst fälligen zweisprachigen Ortstafeln noch immer nicht gibt (seinen Standpunkt diesbezüglich vertrete ich übrigens aus Minderheitsschutzgründen genauso).

Aber wozu sich Fischer gestern anlässlich der Eröffnung der 34. Innsbrucker Festwochen hinreissen liess, das liegt vollends fern von jeglicher Neutralität und Unabhängigkeit:

Vorausgeschickt: Es liegt mir fern, auch nur irgendjemanden oder erst recht Parteien zu verteidigen (die Frage von Schuld und Unschuld zu klären, steht ausschliesslich den Ermittlungsbehörden und den Gerichten zu), gegen den (vielleicht mal) ermittelt wird. Aber es ist in einem Rechtsstaat wie Österreich -vollkommen zu Recht- nicht nur üblich, sondern auch richtig, dass nicht vorverurteilt wird, sondern dass grundsätzlich die sogenannte Unschuldsvermutung gilt. Also auch wenn alle paar Monate über dunkle Machenschaften eines Ex-Politikers berichtet wird und bislang alles immer mangels Nachweisbarkeit oder Stichhaltigkeit im Nichts verpufft, kann zwar, aber muss nicht zwangsläufig trotzdem immer “was dran sein”.

Nun werden seit Monaten Korruption, Bestechung, Steuerhinterziehung, geheime Machenschaften, Provisionen und Konten im Zusammenhang mit verstorbenen und immer wieder kehrenden Ex-Politikern und -Beratern medial gross aufbereitet, wo es dann innerhalb kürzester Zeit doch wieder zu Ungereimtheiten kommt oder sich gar als Fälschung herausstellt (in der gesamten “Skandal”-Berichterstattung muss ich an dieser Stelle so manchen meiner journalistischen Kollegen unseriöse Sensationslust sowie mangelnde Sorgfalt und fehlende Sachlichkeit vorwerfen), was (mal abgesehen davon, dass Tote sich nicht gegen Vorwürfe verteidigen können) zumindest zwei Schlussfolgerungen eröffnet:

A) Entweder die Beschuldigten sind so klug und/oder so einflussreich, dass sie ständig neu ihren Hals wieder aus der drohenden Schlinge ziehen können.

oder aber:

B) Irgendwer inszeniert diese dauernd wiederkehrenden Skandale im vollen Bewusstein, dass sie keine sind, sie aber dennoch kontinuierlich in die Welt setzt, um dem “höheren Ziel” zu dienen, dem politischen Gegner zu schaden, um dadurch selbst Landtagswahlen zu gewinnen.

Ob nun A oder B wahr sein mag: in einem Punkt bin ich mit dem Bundespräsidenten einer Meinung:

“Rasche, lückenlose, nachvollziehbare und wahrheitsgemäße Aufklärung ist ein Gebot der Stunde.”

Ja, in diesem Punkt hat er wirklich recht. Und das fordere ich genauso, mit besonderer Betonung auf “wahrheitsgemäss” und mit der nötigen Offenheit für alle Möglichkeiten.

Nur scheint es Fischer hier offenbar leider nicht um die “wahrheitsgemässe Aufklärung” zu gehen, sondern er macht das, was unter uns Journalisten -vollkommen zu Recht -verpöhnt ist und geächtet wird (wenn sich auch so manche aus politischen und/oder ideologischen Gründen dennoch nicht dran halten) und was einem STaatsoberhaupt erst recht nicht zusteht:

Er masst sich (im Gegensatz zur besonnenen Justiz) an, schon zu wissen, dass jene, gegen welche schwerwiegende mediale Vorwürfe im Raum stehen, auch schon automatisch schuldig sind: “Wir sind über jene zornig, die nie und nimmer genug kriegen können und deren egoistische Raffgier keine Grenzen kennt. Sie bringen unser Gesellschaftssystem in Misskredit und erschüttern das Vertrauen in wichtige Institutionen.”

Auch wenn er hier keine Namen nennt, denken wir eben genau an jene, gegen welche es Vorwürfe gibt, die aber bislang weder zu Anklagen führten und erst recht nicht zu rechtskräftigen Verurteilungen. Er ermahnt in seiner Rede nicht nur die Justiz dazu, dass sie sich “sachlicher Kritik stellen muss” (was an sich schon eine ungeheuerliche Anmassung darstellt), sondern er suggeriert der unabhängigern Justiz, dass diese seine medial an den Pranger gestellten politischen Gegner auch schuldig sind und dass die Justiz auch gefälligst diesem seinem Wunsch nach Verurteilung nachkommen mögen, was einer demokratischen Republik unwürdig ist und zudem eine unerlaubte politische Einmischung in laufende Verfahren darstellt.

Was Fischer hier macht, ist im negativen Sinne einmalig, und dessen man sich mal bewusst werden und seinem psychologisch-manipulativen Schachzug nicht erliegen.

Was wundern wir uns über die Leichtgläubigkeit, Manipulierbarkeit und Vorverurteilungssucht vieler Menschen, wenn sich schon das Staatsoberhaupt (vielleicht im Glauben, seinen Genossen dadurch tatkräftig im Landtagswahlkampf zu unterstützen) zu solch unverantwortlichen Aussagen, deren Tragweite noch nicht absehbar ist, hinreissen lässt?

Daher möge der Bundespräsident diese seine eigenen folgenden Worte auch persönlich beherzigen:

“Wir alle sind aufgerufen unsere Grundwerte hoch zu halten, auf Blender nicht herein zu fallen, nicht weg zu schauen wo man genau hinschauen muss und der Unsitte entgegen zu treten, dass alles erlaubt und akzeptabel ist, was nicht frontal dem Strafgesetzbuch widerspricht.

Eine Gesellschaft, die ihre Grundwerte nicht wie ihren Augapfel schützt und hütet ist in Gefahr auf gefährliches Terrain zu gelangen.”

Die Rede von Bundespräsident Fischer bei der Eröffnung der Wiener Festwochen ist in voller Länge hier abrufbar.

Montag, 21. Juni 2010, von Elmar Leimgruber

Justizministerin: Auch Scheidungs-Kinder haben Recht auf beide Eltern (Info und Kommentar)

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner
Foto: Curt Themessl (obs)

Mit klaren Worten hat die österreichische Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) im Vorfeld der parlamentarischen Enquete zu familienrechtlichen Fragen Stellung bezogen: Man müsse sich mal die Mühe machen, das Thema aus Sicht des Kindes zu beurteilen: Hier komme die automatische Fortführung der gemeinsamen Obsorge nach einer Scheidung der Beibehaltung eines natürlichen Zustandes gleich.

“Nicht die Mutter oder der Vater haben ein Recht auf ihr Kind, sondern das Kind hat ein natürliches Recht auf beide Elternteile,” betonte Bandion-Ortner. Natürlich sei bei – physischer oder psychischer – Gefährdung des Kindes die gemeinsame Obsorge zu beenden, aber es störe sie, “dass in der Frage der gemeinsamen Obsorge nach einer Scheidung immer von Zwang die Rede ist,” erläuterte die Ministerin ihren Standpunkt.

Es könne kein Zufall sein, “dass die Berufsgruppe der Familienrichter, die tagtäglich mit dieser Thematik beschäftigt ist, die automatische gemeinsame Obsorge als sinnvoll bezeichnet.” Unterschiedliche Studien belegten zudem, dass die gemeinsame Obsorge bei den betroffenen Elternteilen eine hohe Zufriedenheitsrate mit sich bringt: Und auch der von Familienstaatssekretärin Christine Marek (ÖVP) kürzlich präsentierte Familienbericht halte dies eindeutig fest, so Bandion-Ortner.

Der Katholische Familienverband Österreichs (KFÖ) hat bereits angekündigt, den Vorschlag der Justizministerin, eine automatische gemeinsame Obsorge bei Scheidungskindern einzuführen, zu unterstützen. Dies wäre eine Erleichterung für alle, so der KFÖ.

Die Parlamentarische Enquete mit dem Titel “Konflikten konstruktiv begegnen – Aktuelle Herausforderungen im Familienrecht (Obsorge und Unterhalt)” ist für Donnerstag, den 24. Juni 2010, in der Zeit von 9.00 bis 17.30 anberaumt. Organisatorisch wird sich die Diskussion in drei Themenbereiche gliedern: Obsorgeregelungen und elterliche Verantwortung für eheliche Kinder nach der Scheidung sowie für uneheliche Kinder; Besuchsrechts- und Obsorgeverfahren – Rahmenbedingungen für familienrechtliche Verfahren (Maßnahmen zur Deeskalation in familienrechtlichen Verfahren, Möglichkeiten zur Beschleunigung insbesondere von Obsorge- und Besuchsverfahren); Weiterentwicklung des Unterhaltsvorschussrechts. Die Enquete ist für Medienvertreter und die Öffentlichkeit zugänglich. Ein entsprechender Antrag aller fünf Parlamentsparteien passierte kürzlich einstimmig den Hauptausschuss des Parlaments.

In Zeiten, in denen die Rechte von Frauen -vielfach zu Recht- eingefordert werden, ist es Zeit, auch das Recht der Kinder auf beide Eltern zu unterstreichen. Die aktuelle Initiative von Justizministerin Bandion-Ortner ist daher -als erster Schritt in die richtige Richtung- sehr zu begrüssen. Wünschenswert wäre allerdings auch, -und dies allen möglichen Puh-Rufen zum Trotz- dass das Scheidungsrecht grundsätzlich einer Generalreform unterzogen wird: In Zeiten der eingeforderten Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau muss endlich auch die Rolle des Mannes aufgewertet werden: es ist unerträglich und unzumutbar, dass nach geltender Praxis ein geschiedener Mann von seiner Ex meist zwar finanziell voll abgesahnt wird wird, aber andererseits leider zu oft zum Bettler degradiert wird, ganz auf deren Wohlwollen angewiesen ist oder gar vor Gericht gehen muss, wenn er sich um (auch) sein Kind kümmern möchte. Hier muss sich -zugunsten der Väter und zugleich auch der Kinder- dringend was ändern.

Samstag, 22. Mai 2010, von Elmar Leimgruber

Claus Gatterer Journalistenpreis 2010 geht an Edith Meinhart

Der heurige “Prof. Claus Gatterer-Preis” geht an die profil-Redakteurin Edith Meinhart (45) für langjährige sozial engagierte Berichterstattung, wie der ÖJC mitteilt. Ihre beruflichen Themenschwerpunkte sind seit mehr als 18 Jahren: Zuwanderung und Asyl, Rassismus und Polizeiübergriffe, Überwachung, Justiz, Rechtsextremismus und Machtmissbrauch. Meinharts journalistischem Engagement ist es laut ÖJC auch zu verdanken, dass Arigona Zogaj 2009 “Mensch des Jahres” von “profil” wurde.

Die “Ehrende Anerkennung” des “Prof. Claus Gatterer-Preises 2010″ geht an Johannes Kaup, Redakteur im ORF-Hörfunk, Ö1. Für die Sendereihe “Radiokolleg” hat er die vierteilige Sendung “Als die Mauer fiel – die Geschichte der friedlichen Revolution in der DDR” gestaltet. Die Verleihung des Journalistenpreises findet am Dienstag, 6. Juli 2010 im Kleinwalsertal statt.

Der “Prof. Claus Gatterer-Preis” ist mit 5.000 Euro dotiert und wird seit 1984 vom Österreichischen Journalisten Club (ÖJC) in Zusammenarbeit mit dem Land Südtirol und dem Renner-Preis-Kuratorium vergeben. Der “Prof. Claus Gatterer-Preis” wird laut ÖJC als höchste Auszeichnung für journalistische Leistungen vergeben, die im Sinne des Lebenswerkes
von Prof. Claus Gatterer einen überdurchschnittlichen Beitrag für den österreichischen und Südtiroler Journalismus darstellen: Schutz der gesellschaftlichen Minderheiten, Verteidigung sozialer Randgruppen, Eintreten für zu Unrecht benachteiligte und missachtete Gruppen oder Personen, kritisches Bewusstsein gegen Ignoranz und Gleichgültigkeit in der Gesellschaft.

Weitere Beiträge zum Thema:

- Asylfall Arigona Zogaj: Sachlichkeit ist gefragt

- European Young Journalist Award: Österreicherin gewinnt mit Reportage über den Kosovo

- Claus Gatterer Journalistenpreis 2010 ausgeschrieben

- Stoppt Straches Nationalismus

Dienstag, 19. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Was macht einen Terroristen aus?

Wodurch begeht man eine terroristische Straftat? Ist jede gesetzlich strafbare Handlung (z.B. eine Besetzung) oder auch eine Demonstration vielleicht automatisch potentiell schon eine terroristische Aktion?

Ist es erst dann ein terroristischer Akt, wenn man eine vorher definierte terroristische Tat tatsächlich auch selbst durchführt? Wie ist es, wenn man sie finanziert? Ist es bereits Terrorismus, wenn man öffentlich darüber nachdenkt, dass und/oder wie eine solche Tat zu begehen wäre? Und vor allem: Ist man bereits ein Terrorist, wenn man medial dafür mobilisiert oder auch nur damit sympathisiert oder wenn man sachlich korrekt darüber berichtet?

Vergangenen Freitag endete die Begutachtungsfrist zum so genannten österreichischen Terrorismuspräventionsgesetz 2010. Die Novelle sieht vor, künftig auch die Aufforderung zu terroristischen Straftaten sowie deren “Gutheißung” unter Strafe zu stellen. Daher meine obigen Fragen dazu.

Österreichs Spezialeinheit COBRA
Foto: BMI

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) tritt in einer Aussendung vor allem der beabsichtigten Erweiterung des Katalogs terroristischer Straftaten entschieden entgegen. “Bedenklich stimmt, dass abermals rechtsstaatliche Grundsätze unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung über Bord geworfen werden”, kritisiert ÖRAK-Präsident Dr. Gerhard Benn-Ibler:

Vor allem der Tatbestand der “Gutheißung” öffne potenziellem Missbrauch Tür und Tor. Laut Entwuf ist künftig der zu bestrafen, der eine terroristische Straftat in einer Art gutheißt, die geeignet ist, das allgemeine Rechtsempfinden zu empören oder zur Begehung einer solchen Handlung aufzurufen. “Diese Strafbestimmung ist geeignet, eine offene Diskussion der Erscheinungen des Terrorismus zu erschweren”, erklärt Benn-Ibler, “und stellt daher einen Angriff auf die Meinungsfreiheit in Österreich dar”.

Es bestehe dann die Gefahr einer Pönalisierung von Auseinandersetzungen über historische, wirtschaftliche oder kulturelle Ursachen von Terroranschlägen. “Die Pönalisierung des so genannten Gutheißens terroristischer Straftaten, so verwerflich diese auch sind, schafft jedenfalls eine Gefahr, die ihre denkbaren Vorteile überwiegt”, ist Benn-Ibler besorgt über die weitreichenden Folgen. Der vorliegende Entwurf findet daher nicht die Zustimmung der Rechtsanwaltschaft.

Auch der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) brachte bei der Parlamentsdirektion und im Justizministerium eine Stellungnahme zur geplanten Gesetzesnovelle ein:

Er begrüßt zwar grundsätzlich den Willen des Gesetzgebers, die Vorbereitung einer terroristischen Handlung unter Strafe zu stellen. “Aus der Sicht der Journalisten bringen aber die angedachten Gesetzesänderungen einige Probleme mit sich. Besonders der § 278f „Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat“ bringt eine dramatische Einengung der Berichtsmöglichkeit für Medienmitarbeiter und gleicht einer Zensurmaßnahme.” Diese Bestimmungen machten es Journalisten nahezu unmöglich, über Missstände zu berichten.

Aufgabe des investigativen Journalismus sei aber die Aufdeckung von Missständen, wozu zum Beispiel auch “die schlampige Handhabung von Sicherheitsmaßnahmen auf einem Flughafen” gehöre. Diese Aufdeckungen hätten in der vergangenen Zeit dafür gesorgt, “dass Schwachstellen aufgrund dieser Berichte dann tatsächlich verbessert wurden und in Folge dessen vielleicht sogar zur Verhinderung eines terroristischen Anschlags beigetragen haben”.

Die COBRA im Einsatztraining
Foto: BMI

Für den ÖJC ist dieser Paragraf im Zusammenspiel mit der geplanten Verschärfung des Medienrechtes “ein weiterer Versuch, die Arbeit des Journalisten zu kriminalisieren. Journalistische Berichterstattung über gefährliche Missstände im Sicherheitswesen können mit den Tatverdacht des nicht sachlich definierbaren Begriffs „Aufreizung“ zu einer Verurteilung eines Journalisten führen”, kritisiert der ÖJC. Fachmedien, die sich mit dem Sicherheitsthemen beschäftigen wäre zudem die Existenzgrundlage entzogen, wenn nicht anhand konkreter Tatsachen über Schwachpunkte von Sicherheitseinrichtungen berichtet werden darf.

Der Journalistenclub fordert daher “die ersatzlose Streichung des Paragrafen 278f StGB, da er einerseits die Pressefreiheit drastisch einschränkt und andererseits keine Straftat und deren Vorbereitung oder aber auch die Verleitung dazu verhindern wird können”.

Ich habe zu Beginn dieses Artikel bereits einige Fragen gestellt, die meines Erachtens vor der Verabschiedung eines Gesetzes beantwortet werden müssten und die, wenn es schon zu einer Gesetzesverschärfung kommt, auf jedem Fall auch im Gesetzestext klar genannt und geregelt sein sollten. Denn es kann nicht sein, sondern stellte wohl auch eine Überforderung dar, würde man von jedem Richter erwarten, selbst von Fall zu Fall entscheiden zu müssen, was Terror ist.

Tatsächlich terroristische Handlungen (z.B. Anschläge, Morde, bewafftete Gruppenbildungen, Überfälle…) medial zu bewerben oder gutzuheissen wäre meines Erachtens vollkommen unverantwortlich. Und im Zusammenhang mit dem sogenannten investigativen Journalismus erwarte ich mir schon auch mehr Verantwortungsbewusstsein anstelle von billiger Sensationslust von Seiten mancher Medien, gerade was “Sicherheitslücken” betrifft. Um das mit einem Beispiel zu belegen: Wenn ich als wichtiges Magazin darüber berichte, dass es erstaunlich ist, dass die hochprominente Familie XY nicht nur keine Leibwächter hat, sonderen deren Haus nicht einmal alarmanlagengeschützt ist, dann wird die betroffene Familie zwar wohl rasch für Sicherheitsmassnahmen sorgen (reicht es nicht, wenn ich die Betroffenen auf ihre Sicherheitslücken aufmerksam mache? Muss ich darüber berichten?), aber vielleicht kommen diese zu spät, weil meine Story sofort Verbrecher anlockt…

Andererseits: Nur sachlich korrekt darüber zu berichten, was geschieht, bedeutet keinesfalls eine Aufforderung oder Gutheissung dessen.

Zusammengefasst: Es muss im Interesse aller (auch aller Medien) liegen, echten Terrorismus (und zuvor muss definitiv abgeklärt werden, was da alles dazugehört) zu bekämpfen, und dem weder eine Plattform noch Werbemöglichkeiten zu bieten und ihn erst recht nicht gutzuheissen. Eine objektive und sachliche mediale Berichterstattung ist ja auch niemals eine Terrorismusförderung oder gar -gutheissung.

Die Bevölkerung hat das Recht auf unzensorierte Informationen. Die freie Meinungsäusserung und die Pressefreiheit sind Grundwerte einer demokratischen Gesellschaft und dürfen also niemals zugunsten des sogenannten “Kampfes gegen den Terror” geopfert werden. Und daher sind auch gesetzliche Versuche einer Internetzensur (wie aktuell beispielsweise im angeblich liberalen Frankreich) strikt abzulehnen.

Jeder aber, der publizistisch oder anderweitig (z.B. als Unterrichtender) an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirkt, trägt eine überaus grosse Verantwortung, nicht nur für sich, sondern mit für all jene, die er erreicht und mitprägt. Dieser Verantwortung muss man sich -auch als Journalist- bewusst sein und gewissenhaft zugunsten des Allgemeinwohls (=das Wohl aller) handeln.