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Freitag, 31. Oktober 2014, von Elmar Leimgruber

Erhebend: Das Musical “Les Miserables” in Linz

Ich sage das zwar ungern, aber in Wien gabs in den letzten Jahren kaum wirklich große Musical-Aufführungen, Produktionen, welche (mit Ausnahme von Sweeney Todd in der Volksoper) die Bezeichnung Größe wahrlich verdienen würden. Dabei war Wien mal DIE Musicalhauptstadt des europäischen Festlands, jedenfalls im deutschsprachigen Raum.

Umso erfreulicher ist es dann, wenn das neue Musiktheater Linz* (übrigens ein Theater mit einer exzellenten Akustik) eines der großartigsten Musicals aller Zeiten, “Les Miserables” (von Claude Michel Schoenberg und Alain Boubill) auf die Bühne bringt, und zwar nicht einer  sinnlosen pseudo-konzertanten Aufführung oder mit eigentlich überflüssigen 5 Alibi-Musikern im Orchestergraben, sondern mit vollem Orchester, und mit welchem Orchester: Das Bruckner Orchester Linz, das für seine Kraft und Energie weit über die Grenzen Österreichs bekannt ist, war in Les Miserables unter der grandiosen Leitung von Kai Tietje ein absoluter Hochgenuss, wo wohl selbst die Wiener Philharmoniker vor Bewunderung und Respekt erstaunt wären.

Aber damit nicht genug: Christian Alexander Müller in der Titelrolle als Jean Valejan ist zwar sicherlich nicht John Owen-Jones oder gar Colm Wilkinson: Dies ist aber nicht nötig. Dennoch ist Müller neben Reinhard Brussmann, dessen Meilenstein-Interpretation des Jean Valejan in Wien mir wohl ewig in Erinnerung bleiben wird, für mich der einzige Musical-Sänger im deutschsprachigen Raum, der technisch und stimmlich in der Lage ist, diesen außergewöhnlichen Charakter authentisch zu verkörpern. Auch seine hohen Töne klingen natürlich und klar. Dieses hohe Level an musikalischem Können macht ihm so schnell keiner nach.

Konstantin Zander interpretiert den Javert zwar von anderen bedeutenden Javerts “kopiert”, aber dies gelingt ihm mit Bravur und seine Stimme ist beinahe ideal für den gestrengen  Gesetzeshüter. Und es kann nun mal auch nur einen Norm Lewis geben.

Ebenfalls gut besetzt in Linz sind die weiblichen Hauptrollen: Kristin Hölck als Fantine, Barbara Obermeier als Cosette, Ariana Schirasi-Fard als Eponine sowie Rob Pelzer und Daniela Dett als die Thenardiers. Alen Hodzovic konnte ich hingegen trotz perfekter Sangeskunst keinesfalls glauben, dass er um seine toten Freunde trauert: Schade eigentlich: “Dunkles Schweigen an den Tischen” muss durch Mark und Bein fahren ob der schweren Schicksalsschläge.

Inszenierung (Matthias Davids) und Bühnenbild (Mathias Fischer-Dieskau) im Landestheater Linz könnten kaum besser sein. Und insgesamt betrachtet kann man wohl schwer glücklicher und zufriedener eine Vorstellung verlassen, wie ich sie jetzt in Linz erlebt habe: Genau so muss großes Musical erklingen: ein vorbildliches Orchester und ein rumum harmonisches und stimmiges Ensemble. Und ich kann daher nur jedem empfehlen, “Les Miserables” in Linz live zu erleben. Und an die Verantwortlichen in Linz sowie an Cameron Mackintosh appelliere ich, diese Produktion in jedem Fall als deutschsprachige Gesamtaufnahme auf CD zu verewigen. Und: bitte mehr davon.

 

* Meine Kritik bezieht sich auf die “Les Miserables”-Aufführung am 24. Oktober 2014