Eigentlich hätten wir in Zeiten der Globalisierung damit rechnen müssen, dass uns irgendwann ein Virus heimsucht, welches die ganze Welt in Atem hält. Und irgendwie war es auch nur eine Frage der Zeit. Und dennoch war offenbar niemand darauf vorbereitet.
Da die Amtsträger weltweit, vor allem jene in der so genannten freien Welt, seit Jahren darauf gedrillt werden, sparsam zu regieren und öffentliche Gelder einzusparen, haben wir derzeit eine Situation, in der überall dort, wo über Jahre hindurch vor allem im Sanitätswesen Kapazitäten, medizinisches Material und Personal „eingespart“ wurden, die Krankenhäuser durch Corona-Kranke vollkommen überlastet sind: Dies führte nicht nur vor allem in Italien, den USA, Spanien und Frankreich letztlich (wenn man die Zukunft mit einbezieht) zu Hunderttausenden Toten weltweit, sondern unzählige Krankenschwestern, Pfleger und auch Ärzte haben im Kampf um das Leben ihrer Patienten selbst nicht überlebt.
Vor allem in Italien und Spanien waren die Krankenhäuser nicht in der Lage, die Massen der schwer Erkrankten aufzunehmen, wodurch nicht mehr danach entschieden werden konnte, wie viele Patienten man vielleicht noch retten kann, sondern wen man noch aufnimmt und wen man einfach unbehandelt sterben lässt. Dieses unzumutbare Dilemma bringt verantwortungsbewusste Ärzte schon psychisch um.
Und dies führt zu einer ganz existentiellen Frage: Welchen Wert hat der Mensch? Wie viel ist uns ein einziges Menschenleben wert? Gibt es altersmässig qualitative Unterschiede zwischen Mensch und Mensch? Haben junge vitale Menschen mehr Anrecht auf Leben und Behandlung im Krankheitsfall als ältere, bereits vorher erkrankte oder schwache Menschen?
Steht es uns grundsätzlich zu, über Leben oder Tod zu entscheiden? Und ist es gerechtfertigt, das gesamte öffentliche Leben, die Wirtschaft, den Verkehr einfach alles runterzufahren, um Menschenleben zu retten beziehungsweise?
Vieles wirkt grundsätzlich sehr einfach beantwortbar, vor allem wenn das eigentliche Problem weit weg scheint. Natürlich wollen wir alle Menschenleben schützen. Aber doch nicht um jeden Preis oder? Es ist uns doch egal, ob ein Tiroler Bergdorf oder eine Stadt in China abgeriegelt ist. Denn genau genommen betrifft es uns ja auch nicht direkt, wenn dort Massen Menschen sterben. So lange dieses Virus, das im schweren Verlauf zu einer beidseitigen Lungenlähmung und zu schmerzhaften Ersticken bei vollem Bewusstsein führt, weder uns selbst, noch eigene Kinder, noch Eltern, noch Grosseltern noch Freunde betrifft, kann uns ja das Schicksal anderer vollkommen sein.
Und die aktuellen Zahlen in Österreich sprechen ja für sich, ist ja eh nix Schlimmes eingetreten und alles ist in bester Ordnung. Daher muss jetzt sofort das gesamte öffentliche Leben wieder hochgefahren werden: Denn es geht letztlich um unser gewohntes Leben im Wohlstand: und dieses hat gefälligst niemand einzuschränken: alles muss weitergehen wie bisher.
Ist es so?
Verantwortungsvolle Politik in Zeiten jeder Krise (auch in dieser) bedeutet, für die Bevölkerung eine Balance zu finden zwischen maximaler Sicherheit und maximaler persönlicher Freiheit. Und jeder einzelne Mensch sollte sich und seinen Charakter gerade in einer Krise selbst ehrlich hinterfragen: Wir können zwar nicht die ganze Welt retten und wir müssen weder nach Afrika noch nach Asien: Wir können weder den Klimawandel nachhaltig beeinflussen, noch die Armut in der Dritten Welt oder die unnützen Kriege beseitigen, noch können wir die anderen grossen Probleme in der Welt lösen.
Wenn wir aber aus rein wirtschaftlichen Interessen hier in unserer unmittelbaren Nähe schon bereit und Willens sind, andere Menschen einfach sterben zu lassen, dann dürfen wir uns wohl auch nicht wundern, wenn wir selbst letztlich in unserem Tod (und der steht uns allen früher oder später garantiert auch bevor) genauso vollkommen allein sind.
Was wir also können und wohl aus Verantwortung auch tatsächlich tun, liegt nahe, sehr nahe:
Gemäss dem biblischen Motto: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“:
Lassen wir es nicht zu, dass hier Menschen sterben, nur weil wir unsere eigene Komfortzone wieder haben wollen!
Ich gebe es gern zu: ich leide mindestens genauso unter den aktuellen mangelnden realen Kontakten zu meinen geliebten Mitmenschen und ich sehne mir die “Normalität” zurück.
Aber: Es liegt jetzt in unserer grossartigen Gewissensentscheidung, im Zweifel lieber noch länger auf unser eigenes Wohlbefinden zu verzichten als viele weitere Kranke und Tote in unserem Land durch unseren Egoismus mitverantworten zu müssen.
Lassen wir nicht den Tod siegen, sondern das Leben!
In diesem Sinne: Frohe Ostern.