Mit ‘Lebensmittelindustrie’ getaggte Artikel

Freitag, 17. Mai 2013, von Elmar Leimgruber

Dreisteste Werbemasche bei Kindern: Goldener Windbeutel 2013 für Capri Sonne

Der ultrasüße Softdrink Capri-Sonne erhält den Goldenen Windbeutel 2013. Rund 120.000 Verbraucher haben in den vergangenen vier Wochen online auf www.goldener-windbeutel.de unter fünf Kandidaten abgestimmt, welcher Hersteller am schlimmsten Kinder verführt. Eindeutiger “Sieger” mit mehr als 50.000 Stimmen: Die Wild-Gruppe/SiSi-Werke mit ihrem zuckrigen Getränk Capri-Sonne. Mit aggressivem Marketing gezielt an Kinder versuchen Unternehmen, den Verkauf von Junkfood und Soft Drinks anzuheizen. Bei der von foodwatch ausgerufenen Online-Wahl zum Goldenen Windbeutel auf www.goldener-windbeutel.de haben sich vom 18. April bis zum 15. Mai 2013 insgesamt 119.835 Verbraucher beteiligt.

“Ich will keine Kinder mehr verführen” – mit diesem Demonstrationsschild protestierte eine zwei Meter große, wandelnde Capri-Sonne an der Zentrale von Hersteller Wild (Deutsche SiSi-Werke). “Lasst die Kinder mit eurem Zuckerbomben-Marketing in Ruhe”, steht auf einem Transparent vor dem Firmengelände – und auf der Straße vor der Pforte, gesprüht mit Kreide-Spray. Mit dieser Aktion in Eppelheim bei Heidelberg haben Aktivisten der Verbraucherorganisation foodwatch am 16. Mai den Goldenen Windbeutel 2013 verliehen, den Negativpreis für die dreisteste Werbemasche des Jahres bei einem Kinderlebensmittel. Die Annahme des Preises wurde verweigert.

Capri-Sonne (in der Geschmacksrichtung Orange) enthält pro 200-Milliliter-Beutel umgerechnet sechseinhalb Stück Würfelzucker und damit mehr als ein gleich großes Glas Fanta Orange. Eine ganze Reihe von Marketingaktivitäten für Capri-Sonne zielen direkt auf Kinder: Capri-Sonne tritt als Sponsor und Veranstalter von Kinder-Sportevents auf, betreut Kinder in Hotelanlagen, spricht diese gezielt mit einer Internetseite an und macht sie über ihre facebook-Seite zu Markenbotschaftern. Bis Anfang Mai verbreitete der Hersteller zudem werbliches Unterrichtsmaterial an Grundschullehrer, in dem Kindern die Ernährungsempfehlung ausgesprochen wurde, “viel” Capri-Sonne zu verzehren. Nach der foodwatch-Kritik stoppte Wild die Verbreitung des Materials – ein erster, kleiner Erfolg des Goldenen Windbeutels 2013.

“Capri-Sonne & Co. sind Dickmacher ersten Ranges, das ist wissenschaftlich erwiesen. Dennoch fixt Wild Kinder auf allen Kanälen an, immer noch mehr Zuckergetränke zu konsumieren – im Internet, Fernsehen, in der Schule, bei Sportveranstaltungen und sogar als Kinderbetreuer in Ferienanlagen”, kritisiert Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung bei foodwatch. In einer ganzen Reihe von Studien ist der Zusammenhang zwischen Soft-Drink-Konsum und dem Risiko für die Bildung von Übergewicht belegt. In Deutschland gelten 15 Prozent der Kinder als übergewichtig, 6 Prozent sogar als fettleibig (adipös).

“Wild gehört zu den Lautesten, wenn es darum geht, schon kleinen Kindern in Schulen und bei Freizeitveranstaltungen seinen zuckrigen Drink aufzudrängen – bei der Kritik von mehr als 50.000 Verbrauchern stellt sich das Unternehmen aber auf taub. Wir fordern, dass Capri-Sonne alle Marketingaktivitäten einstellt, die sich direkt an Kinder richten.” foodwatch fordert daher ein grundsätzliches Verbot der Bewerbung unausgewogener Produkte direkt an Kinder.

Die Verbraucherschutz-Organisation foodwatch fordert nun die Konsumenten auf ihrer Webseite zum Protest: “Schreiben Sie daher jetzt persönlich an Dr. Hans-Peter Wild, den Chef von Capri-Sonne: Fordern Sie den Windbeutel-Gewinner auf, das Verbrauchervotum ernst zu nehmen und sämtliche Marketing-Maßnahmen einzustellen, die sich gezielt an Kinder richten! Lass die Kinder in Ruhe, Herr Capri-Sonne!”

Das Wahl-Ergebnis im Detail:

1. Capri-Sonne von Wild/SiSi-Werke: 51.054 Stimmen / 42,6 %
2. Paula von Dr. Oetker: 26.231 Stimmen / 21,9 %
3. Kosmostars von Nestlé: 24.710 Stimmen / 20,6 %
4. Monsterbacke Knister von Ehrmann: 11.580 Stimmen / 9,7 %
5. Pom-Bär von funny-frisch (Intersnack): 6.260 Stimmen / 5,2 %

Anders als in den Vorjahren hatte foodwatch beim Goldenen Windbeutel 2013 nicht die Werbelüge des Jahres, sondern die dreisteste Werbemasche bei einem Kinderprodukt gesucht. Nachdem in den Jahren 2009 bis 2012 das Thema Etikettenschwindel im Blickpunkt stand, möchte foodwatch nun das Problem der Fehlernährung bei Kindern und die Verantwortung der Lebensmittelindustrie in den Fokus rücken.

Bei einem Marktcheck mit mehr als 1.500 Produkten hat foodwatch 2012 belegt, dass drei Viertel der direkt an Kinder vermarkteten Lebensmittel zur Kategorie der süßen oder fettigen Snacks gehören. Das Angebot folgt einer ökonomischen Logik: Während die Gewinnmargen bei Obst und Gemüse unter 5 Prozent liegen, betragen sie bei Junkfood, Soft-Drinks und Süßwaren bis zu 18 Prozent. Lebensmittelhersteller haben daher ein finanzielles Interesse daran, möglichst viele unausgewogene Kinderprodukte zu verkaufen.

Freitag, 19. April 2013, von Elmar Leimgruber

Die dreisteste Werbelüge des Jahres: foodwatch bläst zur Wahl

Es ist soweit: Ab sofort können die Verbraucher online einen Monat lang abstimmen, welches Unternehmen den Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres bei einem Kinderprodukt erhalten soll: Nominiert sind “Capri Sonne”, “Monster-Backe”, “Pom-Bär”, “Kosmostars” und “Paula”.

Die Wahl zum Goldenen Windbeutel 2013 ist eröffnet. Mit der Kür der dreistesten Werbemasche bei Kinderprodukten in diesem Jahr rückt die Verbraucherschutzorganisation foodwatch das Thema Kinderlebensmittel in den Fokus.

foodwatch vergibt den Goldenen Windbeutel 2013 bereits zum fünften Mal, in den vergangenen Jahren immer als Negativpreis für die Werbelüge des Jahres. 2012 entfiel eine Mehrheit der fast 130.000 abgegebenen Stimmen auf Hipp. Die vorherigen “Preisträger” waren Ferrero (2011), Zott (2010) und Danone (2009).

Während auf der einen Seite Fehlentwicklungen bei der Kinderernährung, insbesondere grassierendes Übergewicht, beklagt werden, wird die Lebensmittelindustrie nicht zur Verantwortung gezogen, kritisieren die Verbraucherschützer. In einem Marktcheck mit mehr als 1.500 Kinderprodukten hatte foodwatch 2012 nachgewiesen, dass drei Viertel der gezielt an Kinder vermarkteten Industrieprodukte süße und fettige Snacks sind. Mit Werbung fast ausschließlich für unausgewogene Produkte verstärkt die Lebensmittelindustrie diesen Trend – gleichzeitig setzt sie darauf, die Erziehungshoheit der Eltern zu umgehen, indem sie Kinder über Sportvereine, Schulen und Kindergärten oder digitale Medien anspricht, kritisiert foodwatch:

“Kinder sind die Zielscheibe der perfidesten Webestrategien von Lebensmittelherstellern”, sagt Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung bei der Verbraucherorganisation foodwatch. “Mit allen Mitteln versuchen die Unternehmen, den Einfluss der Eltern zu umgehen und Kinder für jene Produkte anzufixen, die die höchsten Gewinnmargen versprechen – und das sind nun einmal Süßigkeiten und Snacks.”

Für den Goldenen Windbeutel 2013 hat foodwatch fünf Produkte nominiert:

1. Capri-Sonne von Wild/SiSi-Werke, nominiert für Schul-Marketing und Sport-Schwindel: Für die Wasser-Zucker-Aroma-Mixtur mit ein bisschen Fruchtsaft setzt Hersteller Wild auf die Nähe zum Sport: Er spricht Kinder bei gesponserten Sport-Events an, vergibt ein eigenes Schwimmabzeichen. Außerdem verbreitet Capri-Sonne Unterrichtsmaterial mit Markenlogo und Lernaufgaben zum Produkt – indirekte Werbung an den Eltern vorbei.

2. Monster-Backe Knister von Ehrmann für die Vermarktung überzuckerter Produkte als Spielzeug: Der Hersteller setzt alles daran, überzuckerte Produkte als Spielzeug zu vermarkten. Bei all den Knister-, Blubber- oder Zunge-Färb-Applikationen gerät schnell in Vergessenheit, dass der “Fun- und Action-Joghurt” mit acht Stück Würfelzucker pro 135-Gramm-Becher ganz einfach eine Süßigkeit ist.

3. Pom-Bär von Funnyfrisch für ein Paradebeispiel scheinheiliger Werbebeschränkungen: Der Hersteller hat sich eine Selbstbeschränkung für “verantwortungsvolles Marketing” auferlegt, die Werbung an Kinder unter 12 Jahren grundsätzlich ausschließt. Außer, wenn die Produkte besondere Nährwert-Eigenschaften erfüllen. Diese Hürde überspringt nach funnyfrischs kreativer Definition aber selbst der fettig-salzige Pom-Bär-Snack (2,5 Prozent Salz, 28 Prozent Fett – und damit mehr als fünf Mal so salzig und doppelt so fettig wie Pommes frites von McDonald’s). Der wird mal eben als “kindgerecht” umgedeutet – und kräftig weiter direkt an Kinder beworben.

4. Nestlé Kosmostars für Zucker-Kleinrechen-Tricks: Laut Nestlé ein “vollwertiger Start in den Tag” mit “Vollkorngarantie” – in Wahrheit schlicht eine Süßigkeit. “Weniger als 9 Gramm Zucker pro Portion”, wirbt Nestlé für seine Kinder-Frühstücksflocken – rechnet die “Portion” aber auf gerade einmal 30 Gramm klein. Tatsächlich stecken 25 Prozent Zucker in den Kosmostars, mehr zum Beispiel als in Butterkeksen. Das stolz verkündete Zuckerreduktionsprogramm brachte nur eine Verbesserung von sehr viel zu viel auf viel zu viel.

5. Paula von Dr. Oetker für digitalen Kinderfang: Für den “Kuhflecken”-Pudding (mit 13 Prozent Zucker – mehr als in Dr. Oetkers Schokopudding) schlägt der Hersteller eine wahre Materialschlacht: Von Klingeltönen über eine iPhone-App bis Online-Karaoke zum Auswendiglernen des Paula-Kinder-Raps aus dem Werbespot. Höhepunkt: Internetspiele wie die “Flecken-Jagd”, bei der virtuelle Paulas so viele Puddings wie möglich einsammeln sollen. Zur Erinnerung: Kinder essen bereits doppelt so viele Süßigkeiten wie von Ernährungsexperten empfohlen.

Sonntag, 18. März 2012, von Elmar Leimgruber

Wie aus Kindern Fastfood-Junkies werden

Wie medizinische Untersuchungen zeigen, leben Kinder vielfach ungesund und sind zudem oft übergewichtig, weil sie sich fehlerhaft ernähren. Und dies ist kein Zufall, sondern die Lebensmittelindustrie macht selbst Kinder schon zu Junkfood-Junkies. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie “Kinder kaufen” der Konsumentenschutzoganisation foodwatch, welche 1500 Nahrungsmittel für Kinder mit den Kategorien der aid-Pyramide untersucht und bewertet hat. Mit dem industriellen Angebot an Kinderlebensmitteln ist demnach eine ausgewogene Ernährung praktisch unmöglich, denn es besteht fast ausschließlich aus Süßigkeiten und ungesunden Snacks.

Das Ergebnis: Fast drei Viertel der Produkte (73,3 Prozent) fallen in die “rote” Kategorie an der Spitze der Pyramide. Es handelt sich um süße und fette Snacks, die nach den Empfehlungen des vom Bundesernährungsministerium geförderten “aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz” nur “sparsam” verzehrt werden sollten. Gerade einmal 12,4 Prozent der Produkte können der grünen Kategorie an der Basis der Pyramide zugeordnet werden – solche Lebensmittel sollten Kinder eigentlich “reichlich” verzehren. Die Hersteller stellen also die Ernährungspyramide auf den Kopf: Ihre Produktpalette im Kinder-Segment entspricht ziemlich genau dem Gegenteil der ernährungsphysiologischen Empfehlungen.

“Die Industrie will Kinder so früh wie möglich auf ungesundes Junkfood programmieren”, sagt Anne Markwardt von foodwatch. “Dafür gibt es einen logischen Grund: Mit Obst und Gemüse lässt sich nur wenig Profit machen – mit Junkfood und Soft Drinks schon mehr. Es lohnt sich ganz einfach nicht, gesunde Produkte ans Kind zu bringen.” Während die Hersteller mit Obst und Gemüse Margen von weniger als 5 Prozent erzielen, erreichen sie bei Süßwaren, Soft Drinks und Snacks Umsatzrenditen von 15 Prozent und mehr. Entgegen dem von vielen Unternehmen formulierten Anspruch, einen Beitrag zur ausgewogenen Ernährung von Kindern zu leisten, haben sie betriebswirtschaftlich größtes Interesse daran, möglichst viele unausgewogene Produkte zu verkaufen.

“Die Unternehmen tragen eine erhebliche Mitverantwortung für die grassierende Fehlernährung von Kindern”, sagt Anne Markwardt von foodwatch. “Die Lebensmittelindustrie ist nicht Teil der Lösung, sondern Kern des Problems, weil sie Kindern massenhaft Junkfood aufdrängt und sie zur falschen Ernährung verführt.” Dass sich Kinder in Deutschland nicht gesund und ausgewogen ernähren, ist wissenschaftlich belegt: Kinder essen nur die Hälfte der empfohlenen Menge an Obst und Gemüse, aber weit mehr als 200 Prozent der empfohlenen Menge an Süßwaren, Snacks und Soft Drinks.

Der Anteil übergewichtiger Kinder ist im Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren um 50 Prozent gestiegen. Heute gelten 15 Prozent der Kinder als zu dick, 6 Prozent sogar als fettleibig (adipös). Folgen sind erhöhte Risiken für Diabetes, Herzkreislauf- und andere schwerwiegende Krankheiten. Ein Prozent der Kinder leidet heute bereits an Altersdiabetes. Mit perfiden Strategien versuchen die Unternehmen, Kinder so früh wie möglich an die eigene Marke zu binden und in jungen Jahren Geschmacksprägung möglichst für ein ganzes Leben zu erreichen.

Gleichzeitig treten Vertreter der Süßwaren-Konzerne auf Kongressen als Experten für gesunde Kinderernährung auf und dienen sich dem Staat, Sportverbänden, Schulen und sogar Kindergärten als Partner für Anti-Übergewichtsprogramme und Bewegungsinitiativen an. “Der Bock macht sich selbst zum Kindergärtner”, so Anne Markwardt von foodwatch. “Wir dürfen nicht mehr darauf hereinfallen, wenn sich Unternehmen, deren Ziel gar nicht anders lauten kann als immer mehr Süßwaren und Junkfood zu verkaufen, zum Ratgeber in Sachen gesunder Ernährung aufschwingen: Das sind scheinheilige Alibi- und Ablenkungsmaßnahmen, die nicht viel kosten. Jedenfalls weniger, als die omnipräsenten Junkfood-Produkte derselben Hersteller einspielen, die selbst in Schulen ,Kauf mich’ schreien. Es ist doch kein Zufall, dass die ganzen Comicfiguren und Gimmicks nicht zum Verzehr von ungezuckerten Haferflocken, sondern von pappsüßen Crispy-Pops verführen sollen.”

Auch der Staat versagt beim Thema gesunde Kinderernährung. Anstelle klarer Vorgaben für die Hersteller bindet die Bundesregierung die Junkfood-Industrie in ihre Initiativen und Aktionspläne gegen Übergewicht ein. So hat das Bundesernährungsministerium die “Plattform Ernährung und Bewegung” (peb) initiiert, die sich dadurch auszeichnet, vor allem den angeblichen Bewegungsmangel und nicht die schlechte Ernährung von Kindern als Ursache für Übergewicht zu benennen. Prominente Mitglieder von peb: Coca-Cola, Ferrero, der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, McDonald’s, die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker, PepsiCo, Mars – Firmen, die kein Interesse an gesunder Ernährung, sondern am Verkauf von Snacks, Junkfood und Soft Drinks haben.

foodwatch fordert daher:
Die Lebensmittelindustrie muss dort Verantwortung übernehmen, wo ihre Verantwortung tatsächlich liegt: Nicht in PR-trächtigen Alibi-Maßnahmen wie Bewegungsinitiativen und Ernährungstipps für den Schulunterricht, sondern in der Produktion ausgewogener Kinderlebensmittel. Die Verantwortung für die Fehlernährung von Kindern kann nicht allein auf Eltern abgewälzt werden. Produkte, die nicht ausgewogen sein können (wie Süßigkeiten), dürfen nicht länger als Kinderprodukte beworben und mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben, Gewinnspielen oder Idolen direkt an Kinder vermarktet werden. Schulen und Kindergärten müssen werbe- und PR-freie Räume werden. Die Junkfood-Industrie ist kein geeigneter Partner für den Staat, für Schulen und für Sportverbände wie den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Sponsoring-Partnerschaften und gemeinsame Programme zur Bewegungsförderung oder Übergewichts-Bekämpfung dienen den Unternehmen als Ablasshandel und müssen beendet werden.

Sonntag, 25. September 2011, von Elmar Leimgruber

Müslis und Flocken: Nix mit gesund, sondern fett und süss

Wer glaubt, dass er sich gesund ernährt, indem er am Morgen brav sein Müsli oder seine Cornflakes schlürft, dürfte nur der entsprechenden Werbung der Lebensmittelindustrie erliegen. Die Arbeiterkammer (AK) hat 43 beliebte Frühstücksflocken und Müslis getestet und siehe da: 85 Prozent der getesteten Produkte enthalten einen Zuckeranteil von 12,5 Prozent und manche sogar über 25 Prozent und ähnlich ist es auch beim Fett. Die AK fordert daher weniger Zucker und dafür eine bessere Kennzeichnung für Konsumenten.

Beim Fettgehalt liegen die Produkte zwar insgesamt im Mittelfeld, auch wenn der Fettgehalt bisweilen höher ist, als man erwarten würde: Bei einem Produkt lag er bei 20 Prozent. Ein besonderes Ärgernis aus Sicht der AK: “Gerade Frühstücksflocken richten sich an Kinder als Zielgruppe
- und genau diese Produkte haben Zuckeranteile von über 15 bis fast 40 Prozent. Das ist nicht hinnehmbar. Die Hersteller sollten bei diesen Produkten gleich gar nicht so viel Zucker zusetzen”, fordert AK Experte Heinz Schöffl.

AK-Test Frühlingsflocken
Grafik: AK

Kritik übt Schöffl auch an der derzeitigen Kennzeichnung der Produkte durch die Lebensmittelwirtschaft: Diese ist insbesondere beim Zucker missverständlich, und zwar vor allem bei Produkten, die sich an die Zielgruppe Kinder richten. Der Grund ist die ihr zugrunde liegende Berechnungsmethode, die irreführend niedrige Werte ergibt. “Die Nährstoffangaben sollten auf der Verpackung so klar und eindeutig sein, dass für die Konsumentinnen und Konsumenten mit einem Blick erkennbar ist wieviel Zucker, Fett, Salz und Kalorien tatsächlich in einer Packung drinnen sind”, fordert Schöffl.

Für den AK Test wurden im August 2011 insgesamt 43 beliebte Frühstücksprodukte bei Billa, Eurospar, Zielpunkt, Hofer und Penny eingekauft, darunter 15 Müsli und 27 Frühstücksflocken-Produkte. Ausgewertet wurde die Kennzeichnung der Nährwerte und der Zutaten, als Basis diente die AK Nährwertampel. Bei vier von fünf Frühstücksflocken-Produkten steht die AK Nährwertampel auf Rot. Bei fast allen Müslis leuchtet die Ampel gelb. Der Grund für den Unterschied: Bei den Müslis stammt der Zucker großteils aus den beigemischten Früchten.

AK-Test Müslis
Grafik: AK

Bei den Cornflakes schnitten nur Spar vital Reis Weizen Flakes, Kelloggs Cornflakes, Crownfield Cornflakes, jeden Tag Schoko Curl und Jeden Tag Cornflakes nicht im roten Bereich bei Zucker auf, während bei den Müslis mit einem Fettanteil von 20,5 % das Ja! Natürlich Schoko Knuspermüsli negativ auffiel.

Vorsicht bei der Werbung, denn diese beschönigt gerne, warnt die Arbeiterkammer: So wurde bei einem Produkt besonders hervorgehoben, dass es “78 Prozent Vollkorn” enthält, zugleich aber sind darin 30 Prozent Zucker enthalten. Bei einem weiteren Produkt wurde auffällig hervorgehoben, dass es “sehr natriumarm” sei – aber zugleich enthält es ganze 39 Prozent Zucker.

Die AK fordert daher:
+ Bei Frühstücksflocken sollte der Gehalt an zugesetztem Zucker von den Herstellern deutlich reduziert werden.
+ Die Kennzeichnung mittels Ampelfarben zur leichten Erkennbarkeit von Produkten mit hohen Zucker oder Fettgehalt muss gefördert werden.
+ Die von der Lebensmittelwirtschaft favorisierte GDA-Kennzeichnung muss insbesondere bei Produkten, die an die Zielgruppe Kinder
gerichtet ist, verbessert werden, um eine Täuschung der KonsumentInnen zu vermeiden.

Als Orientierungshilfe beim Einkauf hilft der AK-Online-Ampelrechner.

Freitag, 8. Juli 2011, von Elmar Leimgruber

EU beschließt sehr bescheidene Lebensmittelkennzeichnung

Das EU-Parlament hat eine solche Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln verhindert
Foto: foodwatch.de

EU-Parlament:

Das Europaparlament will nach eigenen Angaben, dass die Verbraucher -nun besser informiert- gezieltere Entscheidungen beim Kauf von Lebensmitteln treffen können. Daher wurde die neue Lebensmittelkennzeichnungverordnung beschlossen, welche von Verbraucherschützern als viel zu wenig weitreichend scharf kritisiert wird.

Unter anderem müssen künftig zwar der Energiegehalt sowie die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz in Zukunft deutlich sichtbar auf Lebensmittelverpackungen angegeben werden, aber die von vielen Verbraucherschützern geforderte Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln kommt nicht. Informationen über Allergene müssen jedoch künftig auch für unverpackte Lebensmittel gegeben werden, so zum Beispiel für Lebensmittel in Restaurants oder in Kantinen. 

Die Angabe des Herkunftslands ist derzeit nur für Rindfleisch, Honig, Olivenöl und frisches Obst und Gemüse verpflichtend und für den Fall, wenn eine Nichtangabe irreführend wäre. Wie vom Parlament gefordert, wird die Verpflichtung nun auch für  frisches Schweine-, Schaf-, Ziegenfleisch und Geflügel gelten.  Zudem müssen Lebensmittelimitate, wie beispielsweise “Analogkäse” als solche gekennzeichnet werden. Wurde eine Zutat, die normalerweise zu erwarten wäre, ersetzt, muss dies künftig deutlich auf der Vorderseite der Packung in einer prominenten Schriftgröße und neben der Marke angegeben werden. Auch “aus Fleischstücken zusammengefügtes” Fleisch und  ”aus Fischstücken zusammengefügter Fisch” müssen künftig als solche gekennzeichnet werden. Die neuen Richtlinien, die von der Lebensmittelindustrie großzügig erst in fünf Jahren umgesetzt werden müssen, wurden im EU-Parlament mit 606 Ja-Stimmen gegen 46 Nein-Stimmen bei 26 Enthaltungen angenommen.

So ampelgekennzeichnet müsste ein Produkt im Supermarkt laut Konsumentenschützern sein
Foto: foodwatch.de

Konsumentenschützer:

Der Kaloriengehalt und sechs Nährstoffe müssen zwar zukünftig ausgewiesen werden – aber nur auf der Rückseite der Produkte, kritisiert die deutsche Stiftung Warentest. Auch bei der Kennzeichnung von alkoholischen Getränken (Zutaten müssen weiterhin nicht angegeben werden) und Transfettsäuren (die ebenfalls nicht deklariert werden müssen) hätten die Regelungen verbraucherfreundlicher ausfallen können. Dass für weitere Fleischarten wie Wild oder Kaninchen, Milch und Milchprodukte sowie für Fleisch, Obst und Gemüse als Zutat, zum Beispiel in Wurst und Fertiggerichten keine Angabe des Herkunftslandes angegeben werrden muss, ist für die Stiftung Warentest ebenfalls unbefriedigend.

“Gewinner ist die Lebensmittelindustrie. Sie hat sich mit ihren Forderungen durchsetzen können. Verbraucher hingegen können auch weiterhin ganz legal betrogen werden,” reagieren hingegen die Verbraucherschützer von foodwatch: “Hersteller können weiterhin deutlich sichtbar mit “Fitness” und “leichten Zwischenmahlzeiten” werben – und die Nährwerte auf der Rückseite im Kleingedruckten verstecken.” Die Lebensmittelindustrie habe sich die Verhinderung der Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln “rund 1 Mrd. Euro kosten lassen”.

Nur bei Frischfleisch soll zudem die Angabe der Herkunft Pflicht werden. Verbraucher erfahren also weiterhin nicht, wo die Kühe auf der Weide standen, deren Milch sie kaufen, oder woher das Fleisch stammt, aus dem die Wurst hergestellt wurde. Langfristig aber wird an verständlichen und gut sichtbaren Informationen auf Lebensmittel-Verpackungen kein Weg vorbei führen. “Dafür setzen wir uns weiterhin entschieden ein,” verspricht foodwatch.

Lebensmittelindustrie:

Die deutsche Lebensmittelwirtschaft hingegen begrüßt die endgültige Einigung auf eine einheitliche Lebensmittelkennzeichnung in Europa. Der Präsident des Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL), Werner Wolf, zeigte sich erfreut über die neuen Richtlinien und vor allem darüber, dass die so genannte Lebensmittel-Ampel nicht kommt: “Es ist ein Signal der Vernunft, dass Lebensmittel auch in Zukunft nicht in ‘gut’ oder ‘schlecht’ eingeteilt werden. Schließlich hat in einer ausgewogenen Ernährung jedes Lebensmittel seinen Platz.” Die Lebensmittelwirtschaft werde sich dafür einsetzen, das Verständnis der Verbraucher bei der Nährwertkennzeichnung weiter zu stärken, so Wolf.

“Absolut überzogen ist die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Frischfleisch,” kritisiert Paulus Stuller, Bundesinnungsmeister der Lebensmittelgewerbe in Österreich: “Das neue EU-Kennzeichnungsrecht ist eine Gratwanderung zwischen Wünschenswertem und Machbarem” und “die Kennzeichnungspflicht bedeutet eine überschießende bürokratische Belastung für die gesamte Wertschöpfungskette,” so Stuller.

 

Mittwoch, 18. Mai 2011, von Elmar Leimgruber

Dreisteste Werbelüge 2011 gesucht

“Die Lebensmittelindustrie täuscht Verbraucher systematisch und führt sie in die Irre,” behauptet die Konsumentenschutzorganisation foodwatch. Gesucht wird daher auch in diesem Jahr “die dreisteste Werbelüge des Jahres”, die hierfür mit dem “Goldenen Windbeutel 2011″ ausgezeichnet wird.

Per Internet-Abstimmung können Verbraucher auf www.abgespeist.de und direkt hier auf redakteur.cc im Beitrag noch bis zum 16. Juni entscheiden, welcher Lebensmittelhersteller den Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres verdient. Nominiert sind Nimm2 von Storck, das Schlemmertöpfchen von Kühne, die Ferdi Fuchs Mini-Würstchen von Stockmeyer, Activia von Danone und Ferreros Milch-Schnitte.

“Angesichts der alltäglichen Irreführung durch die Lebensmittelindustrie haben die Verbraucher allen Grund, sauer zu sein. Jede Stimme beim Goldenen Windbeutel zeigt den Herstellern, dass die Menschen mit ihren Werbepraktiken nicht einverstanden sind”, erklärt Anne Markwardt, Leiterin der foodwatch-Kampagne gegen Etikettenschwindel. Der zweifelhafte Sieger 2010 war der Monte Drink von Zott, der von 2009 Actimel von Danone.

Foodwatch wörtlich über die fünf nominierten Produkte 2011 im Einzelnen:

- “Activia”, das probiotische Märchenprodukt von Danone. Der Joghurt kann die Verdauung nicht mal eben regulieren, wie es Danone suggeriert. Minimale Effekte werden maximal aufgeblasen – und teuer verkauft.

- “Ferdi Fuchs”, Stockmeyers salziges Mini-Würstchen für Kinder. Die “Ferdi Fuchs”-Würstchen enthalten zu viel Salz für ein  Kinderprodukt – dennoch bewirbt sie Stockmeyer als “täglichen Beitrag für die gesunde Ernährung”.

- Kühnes “Schlemmertöpfchen Feine Gürkchen” – außen Tradition, innen modernste Lebensmitteltechnologie. Obwohl Farbstoff und Aromen drin stecken, verkauft Kühne die Gewürzgurken wie ein handwerkliches Produkt mit jahrhundertealter Tradition und “besten natürlichen Zutaten” zum Premium-Preis.

- “Milch-Schnitte” von Ferrero, die Schoko-Sahnetorte für zwischendurch. “Schmeckt leicht. Belastet nicht. Ideal für zwischendurch”, so der Werbeslogan – tatsächlich besteht die Milch-Schnitte zu etwa 60 Prozent aus Fett und Zucker. Dagegen ist sogar manche Schoko-Sahnetorte ein Diätprodukt.

- “Nimm2″ von Storck, die Bonbons, die nicht nur süß, sondern auchnoch gesund sein wollen. Kinder lernen, dass sie ihren Vitaminbedarf auch mit Süßigkeiten statt mit Obst und Gemüse decken können. Dabei sind die zugesetzten, angeblich “wertvollen” Vitamine in Nimm2 überflüssig – und machen aus den Bonbons keine besseren Bonbons.

Und hier kann direkt die dreisteste Werbelüge des Jahres gewählt und damit miteintschieden werden, wer der Goldener Windbeutel- Träger 2011 wird: