Während andere Wirtschaftstreibende heutzutage mit der Concorde oder anderen schnellen Flugzeugen unterwegs sind, versucht die Musikindustrie krampfhaft, einen schon seit Jahren abgefahrenen Hochgeschwindigkeits-Zug zu Fuss einzuholen. Dass dies ein unmögliches Unterfangen darstellt, sollte mittlerweile eigentlich auch den Urhebern dieser Unmöglichkeit klarsein.
Schon gab es unzählige Internetuser, die sich ihre kommerziellen Wunschsongs kostenlos aus dem Internet runterladeten. Doch die millionenschwere Musikindustrie reagierte erst, als die Downloads existenzbedrohend für verschiedene Labels zu werden schienen. Die erste der Musiktauschbörsen, Napster wurde geklagt, mit dem Ziel, ihr den Garaus zu machen. Die Folge waren weitere andere Musikaustauschbörsen im Internet, die sich immer grösserer Beliebtheit vor allem bei jungen Usern erfreuen. Dieser Trend wird sich mit Sicherheit nicht stoppen lassen; da kann die Musikindustrie noch so harte – eigentlich überflüssige– Kampagnen gegen die illegalen Downloads urheberrechtsgeschützter Musik anstreben.
Etwas zukunftsorientierter als die meisten anderen grossen Labels ging Bertelsmann (BMG) ans Werk. Durch den Kauf von Napster versuchte das Unternehmen, durch günstige, aber doch kostenpflichtige Downloads wenigstens ein klein wenig Einkommen zu schaffen. Doch wie sich zeigte, war auch dieses Experiment letztlich zu wenig attraktiv, um von der Masse der Musikdownloadsüchtigen auch tatsächlich entsprechend genutzt zu werden. Immerhin gibt es ja jede Menge Napster-Nachfolger wie etwa Morpheus, KaZaA oder Limewire (Mac) , die nach wie vor Gratis-Downloads anbieten und gegen die und deren Nachfolger die Musikindustrie auch nicht wirklich auf Dauer was unternehmen wird können. Dies Zug ist endgültig abgefahren!
Auch Versuche der Musikgiganten, illegales Kopieren von CDs über Computer dadurch zu unterbinden, dass Musik-CDs seit kurzem in CD-ROM-Brennern und Laufwerken gar nicht mehr funktionieren, sind nicht zielführend, wenn nicht gar kontraproduktiv: Zum einen funktionieren manche dieser neuen CDs auch in herkömmlichen Abspielgeräten nicht mehr und zum anderen gibt es mittlerweile zu viele junge Musikliebhaber, deren einziger CD-Player der im Computer –oft ausgestattet mit einer Surroundanlage– ist. Wieso sollte ein solcher User dann überhaupt noch eine neue Audio-CD kaufen?
Anstatt sich über die sinkenden Absätze zu beklagen, täte es der Musikindustrie wahrlich gut, wirklich umzudenken, vor allem, was den Preis der CDs betrifft: Ein Hauptgrund, warum so viel raubkopiert wird und warum die Musikbörsen im Internet sich grösster Beliebheit erfreuen, ist sicherlich, dass die CDs in den vergangenen Jahren immer teurer anstatt billiger geworden sind.
Zunächst wurden Mediamarkt, Saturn, Cosmos, Promarkt, Libro und andere Großmärkte aus dem Boden gestampft und CDs wurden zu Dumpingpreisen angeboten. Preise von maximal 189-199 Schilling für jede aktuelle Chart-CD (Hochpreissegment) waren vor 10 Jahren in Grossmärkten üblich, neue CDs in Aktion erhielt man um 149 oder gar um 99 Schilling.
Eine Folge dieser Marktpolitik war, dass viele traditionelle Plattengeschäfte vor den aggressiven Preisen resignieren mussten und dass es sie mittlerweile grossteils nicht mehr gibt.
Heute kosten in den Großmärkten aktuelle Chart-CDs meist 229-249 Schilling, mindestens aber 199 Schilling, wenn sie in Aktion sind, immer noch189 Schilling. In den letzten Jahren sind allein die Aktionspreise von 149 auf 189 Schilling pro CD angehoben worden. Während der Preis eines CD-Rohlings für den Endverbraucher in den letzten Jahren von 200 Schilling auf 8 Schilling und weniger gesunken ist, somit auch die CD-Produktion für die betroffenen Unternehmen viel günstiger geworden ist, stiegen die Preise von aktuellen CDs um bis zu 23 Prozent (!).
Da mögen die Musikmacher und –Produzenten jammern, soviel sie wollen: Es ist für Musikliebhaber einfach nicht nachvollziehbar, warum für eine aktuelle CD soviel Geld verlangt wird, und dies nicht nur deswegen, weil er sich dieselbe Musik im Internet kostenlos downloaden kann.
Mal ganz ehrlich: Wenn man die Wahl hat, sich das Original einer CD zu einem vernünftigen und nachvollziehbaren Preis zu kaufen oder es sich im Internet mühsam zu suchen, herunterzuladen und es sich dann auf eine 0815er CD zu brennen: welche Entscheidung trifft man?
Ein Original in Händen zu halten ist einfach was Schönes; etwas worauf man stolz sein kann!
Mit dieser Meinung stehe ich wohl nicht allein da.
Anstatt sich über mangelnde Umsätze zu beklagen und als Reaktion darauf die Preise zu erhöhen, wäre meines Erachtens das entgegengesetzte Verhalten die einzige richtige Antwort darauf:
Um beim Bild der Fahrzeuge zu bleiben: wenn ich als Hersteller merke, dass die Konsumenten mein Produkt nicht mehr nützen, muss ich umdenken. Ich muss dann eben besser werden und mehr anbieten als meine Konkurrenz. Wenn jene die Concord anbietet, muss ich eben daran arbeiten, ein noch besseres Flugzeug zu konstruieren, um meinen Kunden dann ein noch schnelleres und sichereres Ankommen am Zielort zu ermöglichen.
Ähnlich verhält es sich in der Musikindustrie: Wenn mir die Kunden davon laufen und sich ihre Songs woanders her holen, muss ich nach Wegen suchen, dass sie wieder zu mir zurückkommen: Das gelingt aber sicher nicht, indem ich meine Konkurrenz zu vernichten evrsuche. Sowas kann –wenn überhaupt- nur kurzfristig funktionieren. Vielmehr muss ich als Vertreter der Musikindustrie dafür sorgen, dass mein Produkt, die Original-CDs wieder beim Endkonsumenten ankommen. Um dies zu erreichen, müssen die CD-Preise massiv sinken. Dies kostet die Musikindustrie vielleicht kurzfristig Gewinneinbussen, jedoch die Umsätze werden massiv ansteigen und so letztlich auch die Gewinnkurve wieder nach oben treiben.
Eine darstische Senkung der MusikCD-Preise bleibt meines Erachtens für die Musikindustrie der einzige Weg, der ihr Überleben langfristig ermöglichen wird. Anderenfalls werden die Einkünfte sinken und sinken und die CD-Preise weiter steigen und letztlich wird ein Label nach dem anderen zusperren müssen. Ich bin gespannt, ob sich auch nur ein großer Konzern in der nächsten Zeit zu diesem innovativen Schritt durchringen wird können.
Im klassischen Segment beweist schon seit Jahren das alternative Label Naxos, dass es mit aggressiven Preisen (79 Schilling pro aktuelle CD) möglich ist, den grossen traditionellen Firmen Deutsche Grammphon und EMI (aktuelle CDs ab 250 Schilling) das Feld streitig zu machen. Und Umsätze und Gewinne können sich sehen lassen. Und seit einiger Zeit setzt auch das zur BMG-Gruppe gehörende Klassiklevel Arte Nova auf diesen innovativen Weg: laufend digitale Neueinspielungen von klassichen Werken (auch Ersteinspielungen) zu einem attraktiven Preis (ebenfalls 79 Schilling pro CD). Was aber im Bereich der klassischen Musik gewinnbringend möglich ist , sollte auch im Bereich der aktuellen Charts-Musik bestens funktionieren. Davon bin ich zutiefst überzeugt und wünsche daher der Musikindustrie Mut zu Innovationsgeist. Und die Kasse wird wieder klingeln:-)