Mit ‘Minderheit’ getaggte Artikel

Freitag, 22. Juni 2012, von Elmar Leimgruber

Rund um die Regenbogenparade 2012

Eigentlich hätte dies -wie in den Vorjahren- nur eine Bildreportage mit wenig Text über die Regenbogenparade als Fest gelebter Toleranz werden sollen. Aber anstattdessen muss dieser Beitrag nun neben den Fotos zu einem Plädojer für Meinungsfreiheit werden. Leider.

Eigentlich wollte ich hier nur jede Menge viele bunte Fotos als Eindrücke in Bildern von der diesjährigen Regenbogenparade in Wien zeigen und eben mal kurz aus auch zur kleinen Kundgebung von Paradengegnerm schauen, um im Zeichen der Ausgeglichenheit in der Berichterstattung (mit einem Fotos belegt) auch diese zu erwähnen. Eigentlich.

So ging ich zunächst dem Ring entlang und fotografierte jede Menge fröhlicher und bunter Gestalten und schaute dann noch zum Stock im Eisen Platz (hinterm Stephansplatz). Die “Prozession”, so kann man die Kleingruppe, ausgerüstet nur mit einem Auto samt Lautsprechern, Kreuzen, einigen (schwulenfeindlichen) Plaketen und rosenkranzbetend, nennen, zog dann bis zum Platz an der Seite der Staatsoper, wo sie innehielten und erneut Rosenkranz beteten. Kurzum also handelte es sich um eine vollkommen harmlose kleine Gruppe von etwa 30 bis 40 Teilnehmern.

Wäre ja schön, wenn es so gelaufen wäre, dass die Zehntausenden Paradenteilnehmer ihren Weg um den Ring ziehen und die wenigen Teilnehmer der Gegenkundgebung ihre bescheidene Veranstaltung -im Sinne der Meinungsfreiheit- genauso hätten abhalten können. Dem war aber nicht so. Leider:

Während die Teilnehmer an der Parade -zu Recht- ungestört und ungehindert ihre Veranstaltung rund um den Ring abhalten konnten, wurde die kleine Gruppe der Gegenkundgebung von allen Seiten durch rasch organisierte Störenfriede behindert, die pfiffen, buhten, trommelten und schrieen und die Teilnehmer und ihren Glauben beschimpften und sie beleidigten und immer wieder ihre Prozession aufzuhalten versuchten. Und selbst mehrere Straßensperren vermochten die Unruhestifter und Radau-Demonstranten nicht von den Kundgebungsteilnnehmern wirklich zu trennen. Sie stürmten erneut wieder von allen Seiten her.

Bei der Staatsoper angekommen mussten die Kundgebungsteilnehmer zu ihrem Schutz vor den Aggressoren schließlich von der Polizei eingekreist werden. Und sobald die Kundgebungsteilnehmer zu beten begannen, ging der Lärm der anderen wieder los. Da jedoch immer mehr Störenfriede Richtung Oper mobilisiert wurden und die Kundgebung durch die Störungen und den Lärmpegel immer mehr verunmöglicht wurde, forderte die Polizei schließlich die Sondereinheit Wega und die Hundestaffel zur Verstärkung an.

Es wurden auch mehrere Videos gedreht, darunter eines vom katholischen gloria.tv, das zugunsten der Kundgebungsteilnehmer berichtete, eines von einem offensichtlichen Sympathisanten der Störenfriede.

Ich vertrete keineswegs uneingeschränkt den Standpunkt der Kundgebungsteilnehmer. Im Gegenteil: Ihre Sorge und ihr Idealismus (sich für ihre Überzeugung so ausgrenzen und beschimpfen zu lassen) mögen berechtigt sein und jeder kann dankbar sein, wenn für ihn gebetet wird (weil Gott glücklicherweise Gebete manchmal ganz anders erhört, als vom Betenden gewünscht): Dennoch sind deren Anligen bei dieser Kundgebung äußerst bedenklich, zumal Homosexualität und Familie Parallelbereiche sind und Homosexualität oder die Eingetragene Partnerschaft demnach gar keine Gefahr der gewiss schützenswerten Institution Familie darstellen können. Ihr Weg und ihre Forderungen diesbezüglich sind daher jedenfalls der falsche Weg. So wünsche ich mir von den Kundgebungsteilnehmern mehr Toleranz, Gelassenheit, Glauben und Vertrauen an das Gute im Menschen.

Genauso intolerant sind aber auch die Gegendemonstranten. Ich bin nicht nur ein überzeugter Demokrat, sondern auch ein unbedingter Verfechter und Verteidiger der Meinungsfreiheit. Toleranz ist wichtig, ja notwendig und zwar auf allem Seiten. Problematisch wirds allerdings dann, wenn die eine Seite zwar für sich Toleranz beansprucht, aber nicht bereit ist, dem anderen auch eine entgegengesetzte Meinung zuzugestehen. Mal abgesehen davon, dass die vielen rasch organisierten Radau-Demonstranten der Kundgebung -wohl unfreiwillig- zu einer Bedeutung verhalfen (sie aufwerteten), auf die sie vielleicht gerne verzichtet hätten:

Wenn es in einem demokratischen Land wie Österreich offensichtlich nicht mehr möglich ist, betend durch die Straßen zu ziehen und zu seiner (der Öffentlichen Meinung gänzlich entgegengesetzten) Meinung auch öffentlich zu stehen dann mache ich mir Sorgen um unser Land. Und gerade, wer einer Minderheit angehört, müsste doch eigentlich so sensibel sein, auch anderen Minderheiten die freie öffentliche Meinungsäußerung zuzugestehen, auch wenn man sie keinesfalls nachvollziehen oder gar gutheißen kann.

Ich wünsche mir für die Zukunft, dass ausnahmslos jeder in Österreich das Recht haben muss, ungehindert und ungestört seine Meinung (sofern sie nicht gegen geltende Gesetze verstößt) auch öffentlich kundzutun, ohne dass ihm irgendwer den Mund verbieten will, der anders denkt. Es muss möglich sein, dass zwei vollkommen konträre Meinungen nebeneinander stehen, ohne dass man sich gegenseitig niederbrüllt oder den Mund verbietet. Es muss eine Kultur wachsen, die Andersdenkende tatsächlich toleriert und nicht nur Toleranz für sich selbst beansprucht. Dann erst sind wir eine wirklich reife Demokratie und Gesellschaft.

Und hier sind Eindrücke in Bilder (Fotos) sowohl von der bunten Regenbogenparade als auch von der Gegen-Kundgebung:

Mittwoch, 10. Februar 2010, von Elmar Leimgruber

Mein Appell: Nehmt teil an der sinnlosen Volksbefragung in Wien!

Alle Bilder in diesem Artikel: wienwillswissen.at

In Wien findet in dieser Woche vom 11. bis 13. Februar eine sogenannte Volksbefragung statt. Der Zeitpunkt ist taktisch klug gewählt, gibt es doch in diesem Jahr auch Gemeinderats- und Landtagswahlen in Wien: Der Wiener Bürgermeister ist gleichzeitig auch Landeshauptmann von Wien.

Vorausgeschickt: Ich bin ein grosser Befürworter der direkten Demokratie. Und es wäre ein demokratiepolitischer Rückschritt, würde man Volksbefragungen grundsätzlich abschaffen oder verbieten wollen. Aber sollen diese nicht zu einer billigen Farce verkommen, bzw. wie in diesem Fall ein willkommene Wahlhilfe, dann braucht es wirklich Themen, die die Menschen bewegenund wo es der Stadt tatsächlich darum geht, die Anliegen der Bevölkerung zu hören, ernstzunehmen und auf ihre Wünsche einzugehen.

Bei aller Antipathie gewissen (Suggestiv-)Fragen gegenüber und trotz durchaus vorhandenen Gefühlen für einen Boykott dieser sinnlosen Wahl: Aus demokratiepolitischen Überlegungen plädiere ich hiermit dennoch, auf jedem Fall an der Volksbefragung teilzunehmen.

Zu den Fragen im Einzelnen (die Original-Fragen mit entsprechender “Wahlhilfe” durch die Stadt sind hier kursiv wiedergegeben):

“1. Im Jahr 2000 wurde durch den Bundesgesetzgeber die Möglichkeit abgeschafft, Hausbesorger/innen anzustellen. Eine bundesgesetzliche Neuregelung ist seither nicht zustande gekommen.
Sind Sie dafür, dass in Wien die Möglichkeit geschaffen wird, neue Hausbesorger/innen (mit modernem Berufsbild) einzustellen?”

Zum einen betrifft diese Frage sowieso nur Bewohner von Gemeindebauten der Stadt Wien, die nur einen Bruchteil der Bevölkerung ausmachen. Und zum zweiten wird hier nur von einer “Möglichkeit” gesprochen. Ermöglichen kann man Vieles, auch ohne Volksbefragung, wobei der Einleitungtext der Stadt eindeutig auf ein JA als Wunsch-Antwort deutet.


2. Internationale Studien zeigen, dass die Ganztagsschule der entscheidende Erfolgsfaktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung deutlich hebt.
Sind Sie für ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen in Wien?

Auch hier werden die Wähler entmündigt, indem ihnen im Vortext erklärt wird, dass ohne Ganztagsschulen kein Erfolg möglich ist, und dass daher natürlich auch in diesem Fall mit Ja gestimmt werden sollte. Wenn die Stadt schon auf diesem Standpunkt steht, erübrigt sich eine Befragung: dann soll sie eben die Ganztagsschulen flächendeckend in ganz Wien errichten. Mal abgesehen von den massiven Kosten und abgesehen davon, ob es die freie Wahl geben wird (was das einzige Erstrebenswerte ist): Wen sollte ein solches Angebot (wenn es wirklich nur ein zusätzliches Angebot ist) denn auch stören?


3. Einige Großstädte (z.B. London, Stockholm) haben zur Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs eine Einfahrtsgebühr für das Stadtzentrum eingeführt (Citymaut). In Wien konnte durch die Verkehrspolitik (Ausbau öffentlicher Verkehr, Parkraumbewirtschaftung, Wohnsammelgaragen, Ausbau Radwegenetz) in den letzten Jahren der Autoverkehr in der Stadt deutlich reduziert werden.
Soll in Wien eine Citymaut eingeführt werden?

Hier wird den Befürwortern einer Citymaut schon im Vortext klargemacht, dass eine solches nicht notwendig ist, weil die Stadt eh schon alles getan hat, dass der Verkehr in Wien (angeblich) eh schon nicht mehr ein Problem darstellt. Hier möge man also, geht es nach dem Willen der Stadt, mit nein stimmen. Wenn man eine solche nicht haben will, soll man es laut und deutlich sagen und nichteine entsprechende Frage stellen und die Bevölkerung dabei dahingehend zu beeinflussen, dass sie sich dagegen ausspricht.


4. In Wien fahren täglich Nachtbusse von 0.30 bis 5.00 Uhr. Ein 24-Stunden-U-Bahn-Betrieb am Wochenende (Freitag und Samstag) kostet pro Jahr 5 Millionen Euro und bewirkt veränderte Fahrtrouten der Nachtbusse am Wochenende.
Sind Sie dafür, dass die U-Bahn am Wochenende auch in der Nacht fährt?

Die Frage nach einer 24-Stunden-U-Bahn am Wochenende scheint mir die für die Gesamtbevölkerung einzig Sinnvolle zu sein. Diesen Vorschlag hatte schon lange die Wiener Stadt-ÖVP eingebracht, er wurde allerdings zunächst von der regierenden SPÖ abgelehnt. Als später Bürgermeister Häupl (SPÖ) dennoch überraschend ankündigte, eine Volksabstimmung zu diesem Thema durchzuführen, planten die direkt betroffenen Wiener Linien bereits den 24-Stundendienst und gaben auch bekannt, dass dieser durchaus machbar wäre. Wieder später allerdings liess die Wiener SPÖ immer öfter verlauten, wie umständlich und vor allem wie teuer dieser Plan wäre. Und diesem Argument folgt auch der Hinweis-Text vor der Frage: Wer mit Ja stimmt, verschwendet Geld, weil dies 5 Mio. Euro mehr jährlich kostet und vor allem muss er dann damit rechnen, dass sein Nachtautobus dann nicht mehr fährt. Die Stadt erwartet sich hier, dass eine Mehrheit nein zur U-Bahn an Wochenenden sagt, da es ja eh Nachtautobusse gibt. Bezüglich der 5 Mio.: Diese Volksbefragung kostet angebliche 6,7 Mio. Euro, und für diese SPÖ-Wahlwerbung werden Steuergelder verbraten. Die Gruppe “Für 24h-Betrieb der Wiener Verkehrsbetriebe (U-Bahn, Busse, Straßenbahn)” im Social Network facebook hat übrigens über 27300 Mitglieder, obwohl sich hier die Forderungen nicht auf das Wochenende und auf die U-Bahnen allein beschränken.

5. Seit 2006 wird in Wien ein freiwilliger Hundeführschein angeboten. Der Hundeführschein ist eine fundierte Ausbildung für Hundehalter/innen, bei welcher der richtige Umgang mit Hunden gelehrt wird. Bei der Prüfung müssen Hundehalter/innen zeigen, dass sie den Hund auch in schwierigen Situationen im Griff haben.
Sind Sie dafür, dass es in Wien für sogenannte “Kampfhunde” einen verpflichtenden Hundeführschein geben soll?

Auch hier ist der Wunsch der Stadt eindeutig, dass nur Derjenige sogenannte Kampfhunde halten dürfen sollte, de durch einen Hundeführschein bewiesen hat, auch Herr dieser Hunde zu sein. Und auch hier gilt: wenn die Stadt auf diesem Standpunkt steht, soll sie nach einer klaren Definition dessen, wer ein Kampfhund ist, diesen Führschein eben einführen.

Zusammengefasst: Warum das Geld der eigenen Partei für Wahlwerbung verwenden, wenn man auch mit Steuergeldern eine wirksame Wahlwerbung betreiben kann, bei der man den Wählern vormacht, ihre Meinung ernstzunehmen. Und um sicher zu gehen, dass die Ergebnisse auch so kommen, wie man es sich wünscht, wird eben der Einleitungstext entsprechend manipulativ formuliert.

Und: Was mich am Rande bemerkt ebenfalls sehr nervt: Während man sich als in Wien lebender EU-Bürger sehr wohl an den Gemeinderatswahlen beteiligen kann (Wahl des Bezirksrats), ist man unabhängig davon, wie lange man schon in Wien lebt, von dieser Volksbefragung ausgeschlossen.

Dennoch: Ich appelliere an alle Wahlberechtigten (übrigens ab 16 Jahren), trotz der Sinnlosigkeit dieser Aktion an der Abstimmung teilzunehmen und sich dabei weder dazu hinreissen zu lassen, bewusst grundsätzlich gegen die jeweilige Wahlentscheidung der SPÖ zu entscheiden noch erst recht nicht, ihren Einflüsterungen blind zu entsprechen, sondern klar zu denken und zu überlegen, was das Sinnvollste für die Stadt und die Menschen in ihr ist und nach bestem Wissen und Gewissen seine Stimme abzugeben.

Und da ich als seit 1989 in Wien lebender und seit 2000 auch hauptsächlich hier wohnender EU-Bürger mich ja nicht an dieser Volksbefragung beteiligen darf, enthalte ich mich an dieser Stelle auch dessen zu sagen, wofür ich jeweils stimmen würde.

Eines sei aber noch gesagt: So sinnvoll Volksbefragungen auch als demokratiepolitisches Instrument sind: ich erwarte mir schon, dass es bei Volksbefragungen in Zukunft um die wirklich brennenden Themen der Bevölkerung geht, verbunden mit einem ehrlichen Bemühen der Politiker, als Volksvertreter auch die Anliegen der Bevölkerung zu vertreten. Und das sei am Rande auch nochmal im Zusammenhang mit einem möglichen dritten Asylerstaufnahmezentrum gesagt -und hier zitiere ich ORF-Innenpolitik-Chef Hans Bürger vor einigen Wochen in der ZIB -: “Eine Mehrheit darf niemals gegen eine Minderheit abstimmen”.