Es erfordert Mut, eine aus Kino und Fernsehen bekannte Story auf die Bühne zu bringen. Denn es kann schief gehn, sehr schief, vor allem weil die Handlung bekannt ist und weil die dazu passenden Bilder im Kopf der Besucher sind. Daher war es auch ein großes Wagnis, zu der sich die Bühne Baden nur schwer entscheiden konnte, wie Intendant Sebastian Reinthaller auf der Premierenfeier verriet, ausgerechnet das Musical “Annie” von Charles Strouse (Musik), Thomas Meehan (Buch) und Martin Charnin (Gesangstexte) aufzuführen. Die deutsche Fassung stammt von Holger Hauer und Jürgen Hartmann.
Den Mutigen aber gehört oft die Welt, so auch in diesem Fall: Die Inszenierung von Alexandra Frankmann-Koepp passt einfach genauso wie das fast märchenhafte Drehbühnenbild von Sam Madwar und die ganz hervorragende Choreographie von Markus Tesch. Und die Bühne Bühne ist (hoffentlich auch weiterhin) in der glücklichen Lage, ein klassisches Musical auch mit vollem klassischen Orchester unter der gekonnten Leitung von Oliver Ostermann auszustatten.
Hervorragend ist auch die Besetzung der einzelnen Darsteller für dieses Musical gelungen: Die Hauptdarstellerin Johanna Öhler brilliert als das Weisenhauskind Annie genauso wie Erwin Windegger als der steinreiche Mr. Warbucks, der eigenlich nur ein armes Waisenkind über Weihnachten bei sich aufnehmen möchte. Schließlich und endlich jedoch verfällt er (dessen Wandlung geht aber auf der Bühne leider zu schnell und daher schwer nachvollziehbar vor sich) dem selbstbewussten, intelligenten und frechen Kind Annie und will sie als Tochter adoptieren, würde diese nicht unbedingt ihre echten Eltern wiederfinden wollen. Aber wer, wenn nicht Mr. Warbucks, der selbst beim US-Präsidenten Roosevelt (Franz Josef Koepp) ein- und ausgeht, könnte das schaffen.
Und da gibts noch die frustrierte und geldgierige Waisenhaus-Chefin Miss Hannigan: Dagmar Hellberg, welche ihre eigentliche Nebenrolle aufgrund ihrer hervorragenden Interpretation beinahe zur Hauptrolle werden lässt. Und da es sich um ein Musical für die ganze Familie handelt, darf da natürlich auch ein Hund nicht fehlen…
Alles in allem gerade jetzt für die Weihnachtszeit ein wunderbares Stück, großartig auf die Bühne gebracht, gespielt und gesungen, das alles für die gesamte Familie bietet: Kälte, Soziales, viel Herz, Spannung und ein märchenhaftes Finale, das man sich und seiner Familie gern sogar mehrmals gönnen könnte. Großes Kompliment an alle bei der Bühne Baden.
Ich nütze nun auch die Gelegenheit, mich hiermit öffentlich vom langjährigen Intendanten der Bühne Baden Robert Herzl zu verabschieden, der leider zu früh verstorben ist. Ich habe schon seine zahlreichen Arbeiten an der Wiener Wiener Volksoper sehr geschätzt. Ich bedauere seinen frühen Tod und drücke hiermit allen Hinterbliebenen mein Beileid aus. R.I.P. Robert Herzl.
Ich sage das zwar ungern, aber in Wien gabs in den letzten Jahren kaum wirklich große Musical-Aufführungen, Produktionen, welche (mit Ausnahme von Sweeney Todd in der Volksoper) die Bezeichnung Größe wahrlich verdienen würden. Dabei war Wien mal DIE Musicalhauptstadt des europäischen Festlands, jedenfalls im deutschsprachigen Raum.
Umso erfreulicher ist es dann, wenn das neue Musiktheater Linz* (übrigens ein Theater mit einer exzellenten Akustik) eines der großartigsten Musicals aller Zeiten, “Les Miserables” (von Claude Michel Schoenberg und Alain Boubill) auf die Bühne bringt, und zwar nicht einer sinnlosen pseudo-konzertanten Aufführung oder mit eigentlich überflüssigen 5 Alibi-Musikern im Orchestergraben, sondern mit vollem Orchester, und mit welchem Orchester: Das Bruckner Orchester Linz, das für seine Kraft und Energie weit über die Grenzen Österreichs bekannt ist, war in Les Miserables unter der grandiosen Leitung von Kai Tietje ein absoluter Hochgenuss, wo wohl selbst die Wiener Philharmoniker vor Bewunderung und Respekt erstaunt wären.
Aber damit nicht genug: Christian Alexander Müller in der Titelrolle als Jean Valejan ist zwar sicherlich nicht John Owen-Jones oder gar Colm Wilkinson: Dies ist aber nicht nötig. Dennoch ist Müller neben Reinhard Brussmann, dessen Meilenstein-Interpretation des Jean Valejan in Wien mir wohl ewig in Erinnerung bleiben wird, für mich der einzige Musical-Sänger im deutschsprachigen Raum, der technisch und stimmlich in der Lage ist, diesen außergewöhnlichen Charakter authentisch zu verkörpern. Auch seine hohen Töne klingen natürlich und klar. Dieses hohe Level an musikalischem Können macht ihm so schnell keiner nach.
Konstantin Zander interpretiert den Javert zwar von anderen bedeutenden Javerts “kopiert”, aber dies gelingt ihm mit Bravur und seine Stimme ist beinahe ideal für den gestrengen Gesetzeshüter. Und es kann nun mal auch nur einen Norm Lewis geben.
Ebenfalls gut besetzt in Linz sind die weiblichen Hauptrollen: Kristin Hölck als Fantine, Barbara Obermeier als Cosette, Ariana Schirasi-Fard als Eponine sowie Rob Pelzer und Daniela Dett als die Thenardiers. Alen Hodzovic konnte ich hingegen trotz perfekter Sangeskunst keinesfalls glauben, dass er um seine toten Freunde trauert: Schade eigentlich: “Dunkles Schweigen an den Tischen” muss durch Mark und Bein fahren ob der schweren Schicksalsschläge.
Inszenierung (Matthias Davids) und Bühnenbild (Mathias Fischer-Dieskau) im Landestheater Linz könnten kaum besser sein. Und insgesamt betrachtet kann man wohl schwer glücklicher und zufriedener eine Vorstellung verlassen, wie ich sie jetzt in Linz erlebt habe: Genau so muss großes Musical erklingen: ein vorbildliches Orchester und ein rumum harmonisches und stimmiges Ensemble. Und ich kann daher nur jedem empfehlen, “Les Miserables” in Linz live zu erleben. Und an die Verantwortlichen in Linz sowie an Cameron Mackintosh appelliere ich, diese Produktion in jedem Fall als deutschsprachige Gesamtaufnahme auf CD zu verewigen. Und: bitte mehr davon.
* Meine Kritik bezieht sich auf die “Les Miserables”-Aufführung am 24. Oktober 2014
Auch in diesem Jahr findet am 25. und 26. Oktober 2013, jeweils von 9 bis 18 Uhr, das Wiener Sicherheitsfest vor dem Wiener Rathaus statt. Auf dem Programm stehen spektakuläre Vorführungen der Helfer Wiens, der Wiener Einsatzorganisationen, Sicherheits-Infos durch Experten, kulinarische Köstlichkeiten sowie ein Konzert der Polizeimusik Wien und der Stars der Vereinigten Bühnen Wien (VBW) mit Ausschnitten aus den Musicals “Natürlich Blond” und “Elisabeth”.
Das junge Wiener Musiklabel elmadonmusic (seit Herbst 2009) hat für das Wiener Sicherheitsfest kostenlos einen außergewöhnlich dramatischen und bewegenden Soundtrack produziert, welche allen Helfern, den Helping Hands, gewidmet ist und der niemanden gleichgültig lässt: Die Maxi “Helping Hands” von elmadon wurde nun veröffentlicht und ist bei den bekannten Downloadstores wie beispielsweise iTunes und amazon erhältlich. elmadonmusic stellt diese Musik den Helfern Wien für ihre Leistungsschau zur Verfügung.
Blaulicht & Co bieten ihr Können: Rettungsteams zeigen live, worauf es bei Lebensrettung und Erste-Hilfe wirklich ankommt und geben durch spektakuläre Einsatzvorführungen Einblicke in ihre großartige Zusammenarbeit bei oft gefährlichen Einsätzen. Vor Ort können die Besucher zudem einen Notarzthubschrauber des ÖAMTC besichtigen. Die WEGA, Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung und die Diensthunde der Polizei demonstrierten ihren hohen Ausbildungsstand in spannenden Vorführungen. Rettungshunde, die etwa in Erdbebengebieten eingesetzt werden, zeigen, was sie unter schwierigsten Bedingungen leisten und wie sie ausgebildet wurden. Die Feuerwehr zeigte mit modernsten Einsatzfahrzeugen und ihrer neuestens Ausrüstung, dass sie für Notfälle bestens vorbereitet ist!
Getragen wird das “Wiener Sicherheitsfest” von den 37 Organisationen des Wiener K-Kreises, einem weltweit einzigartigen Zusammenschluss von beruflichen und freiwilligen Einsatzorgansiationen, Magistratsabteilungen und Dienstleistungsunternehmen. Ob Hochwasserschutz, Trinkwassernetz, Kanalsystem, Strom- und Gasversorgung, Abfallbewirtschaftung, Straßenräumung, Veterinärdienste oder Wiener Linien – um nur einige Beispiele zu nennen: Im K-Kreis finden sich für jede Herausforderung die jeweils richtigen Experten.
Das Programm des Wiener Sicherheitsfestes 2013 im Detail:
Freitag, 25. Oktober 2013:
09:30 Uhr: WEGA – Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung
10:00 Uhr: Polizeidiensthundeeinheit
11:00 Uhr: Erste Hilfe – Was tun im Notfall?
11:30 Uhr: Richtiges Verhalten im Brandfall
14:30 Uhr: “Fair und Sensibel – musicproject”
15:30 Uhr: Rettungshunde, die Leben retten
16:30 Uhr: Große Einsatzvorführung der Blaulichter
Samstag, 26. Oktober 2013:
11:00 Uhr: Konzert der Polizeimusik Wien
12:00 Uhr: Richtiges Verhalten im Brandfall
12:30 Uhr: Erste Hilfe – Was tun im Notfall?
13:00 Uhr: Rettungshunde, die Leben retten
13:45 Uhr: Konzert der Polizeimusik Wien
14:00 Uhr: WEGA – Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung
14:20 Uhr: Polizeidiensthundeeinheit
15:00 Uhr: SOLOzuVIERT
16:00 Uhr: Die Stars der Vereinigte Bühnen Wien mit Ausschnitten aus den Musicals “Natürlich Blond” und “Elisabeth”
17:00 Uhr: Große Einsatzvorführung der Blaulichter
Folgende Organisationen aus dem K-Kreis sowie befreundete Organisationen präsentieren sich am diesjährigen Wiener Sicherheitsfest:
Arbeiter Samariter Bund
Caritas
Die Helfer Wiens
Die Johanniter
Feuerwehrjugend und Katastrophenhilfsdienst Wien
Fonds Soziales Wien
Magistratsdirektion – Krisenmanagement und Sicherheit
Magistratsdirektion – Sofortmaßnahmen
Magistratsabteilung 15 – Gesundheitsdienst der Stadt Wien
Magistratsabteilung 31 – Wiener Wasserwerke
Magistratsabteilung 33 – Wien leuchtet
Magistratsabteilung 40 – Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht
Magistratsabteilung 45 – Wiener Gewässer
Magistratsabteilung 46 – Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten
Magistratsabteilung 48 – Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark
Magistratsabteilung 53 – Presse und Informationsdienst
Magistratsabteilung 55 – Bürgerdienst
Magistratsabteilung 59 – Marktamt
Magistratsabteilung 60 – Veterinäramt
Magistratsabteilung 68 – Feuerwehr und Katastrophenschutz
Magistratsabteilung 70 – Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst der Stadt Wien
Malteser Hospitaldienst
Naturfreunde
ÖAMTC Flugrettung
österr. Bergrettung – Landesgruppe Wien
österr. Bundesheer – Militärkommando Wien
österr. Rettungshundebrigade – Landesgruppe Wien
österr. Rotes Kreuz – Blutspendebus
österr. Versuchsendeverband – Landesgruppe Wien
österr. Wasserrettung – Landesgruppe Wien
Polizei (Kinderpolizei, Kriminalprävention, Landeskriminalamt, Landesverkehrsabteilung und WEGA)
Seniorkom.at
Radio Arabella
Rotes Kreuz
Verein “Puls”
Volkshilfe Wien
Wiener Gesundheitsförderung
Wiener Krankenanstaltenverbund
Wien Energie
Wiener Netze
wienXtra
Wien Kanal
Wiener Linien
Wiener Rauchfangkehrer
W24
Was macht einen Menschen zum Amokläufer, zum Massenmörder? Enttäuschung, Verzweiflung, Rache für Erlittenes, Perspektivenlosigkeit? (Siehe dazu auch meine Gedanken zum “Monster Mensch” von vor einigen Jahren) “Treiben” ihn andere regelrecht zu diesen Taten? Oder trägt jeder Mensch doch letztlich persönlich und ganz allein die Verantwortung für das, was er in seinem Leben vollbringt oder auch nicht?
Bedingt vor allem durch zahlreiche manipulative herzerreißende (vor allem US-)TV-Serien, die uns alltäglich einen Schein der Wirklichkeit zu vermitteln trachten, fühlen wir zuweilen Solidarität mit Mördern: Wenn ihnen so viel Böses durch andere widerfahren ist, können wir teils nachvollziehen, warum sie sich wehren und rächen, auch wenn sie dadurch zu Verbrechern werden. Und die Gefahr besteht, sich vielmehr mit den Tätern zu solidarisieren als mit den Opfern.
Wie könnte ein Mensch es je verkraften, wenn ein selbstsüchtiger Richter ihn erurtailt und verbannt, nur um dessen Frau zusammen zu sein. Und wie unerträglicher wäre es noch,wenn derselbe Richter dann auch noch deren Tochter ehelichen will, weil er sich in Verlangen nach ihr verzehrt? Würde man sich mit jenem Mann nicht solidarisieren, der Rache schwor an jenem Richter, der ihm zuerst die Frau, dann seine Tochter nahm?
Die Story ist zwar nicht neu, diese konkret stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und spielt in London:
Einem Barbier wird wie erläutert die Frau durch einen skupellosen Richter entrissen, er selbst unschuldig verurteilt und verbannt. Jahre später flieht er und kehrt incognito nach London zurück und sinnt auf Rache. In einer zweifelhaften Pastetenbäckerin, welche ihn immer schon liebte und nun wiedererkennt, findet er eine treue Rachebegleiterin. Sie erzählt ihm, dass seine Frau sich selbst getötet hat. Und von einem Matrosen, der mit ihm nach London gekommen war, erfährt der Barbier, dass der verruchte Richter nun auch seine Tochter ehelichen will. Der Matrose indes will sie aus den Fängen des Böses retten und plant sie zu entführen, weil er sie liebt. Der Richter, dem seine Ziehtochter (und des Barbiers Tochters) die Liebe verweigert, lässt sie zur Strafe ins Irrenhaus bringen. Der Barbier beschließt, nur den Richter mit seinem Rasiermasser zu töten.
Doch als ein früherer Mitarbeiter des Barbier seinen Meister wiedererkennt und ihn zu erpressen versucht, begeht der Barbier seinen ersten Mord. Aus Schmerz und Rache an der ungerechten Welt folgen viele weitere Morde, während die Pastetenbäckerin die Leichen zerstückelt und als Fleisch-Pasteten verarbeitet und äußerst erfolgreich verkauft. Während der erste Versuch, den Richter am Barbierstuhl zu töten misslingt, gelingt der spätere Mord und die Rache ist vollbracht. Eine Bettlerin in der Nähe ahnt Böses und glaubt, den Barbier ebenfalls wiederzuerkenen. Auch sie tötet der Barbier und bermerkt erst später, dass dies seine totgeglaubte Frau ist. Und damit war für den Barbier im Grunde alles, ja gar alles umsonst…
Stephen Sondheim adaptierte diese Story für sein Musical (Buch: Hugh Wheeler) “Sweeney Todd” (das übrigens vor einigen Jahren durch Tim Burton mit Johnny Depp und Helena Bonham Cartererfolgreich verfilmt wurde). Und die Wiener Volksoper, die nicht nur als Operettenbühne einen hervorragenden Ruf hat, sondern sich in den vergangenen Jahren auch in zweigenössischen Werken erfolgreich bewiesen hat (unter anderem durch das Musical “Die spinnen, die Römer”, ebenfalls aus der Feder von Sondheim), hat das blutrünstige Stück in dieser Saison neu am Programm.
Ich bin nicht davon überzeugt, dass das großteils doch eher traditionelle Publikum seine helle Freude an einem solch skandalösen Stück mit Rachegelüsten hat. Und doch: warum sollte man nicht ausgerechnet ein klassisch verwöhntes Publikum mit solchen Stücken schockieren oder besser wachrütteln, aufrütteln zum Hinterfragen? Es muss nicht sein, wie’s immer war. Im Gegenteil.
Die Volksopern-Inszenierung von Matthias Davids ist aufwendig und stimmig: es passt einfach einfach alles. Und diese Produktion könnte man problemlos 1:1 beispielsweise am Londoner West End genauso zeigen wie hier in Wien. Und es ist mutig und gleichzeitig lobenswert, dass “Sweeney Todd” an der Wiener Volksoper zur Gänze in deutscher Sprache (deutsche recht witzige Fassung: Wilfried Steiner) aufgeführt wird.
Und auch die Besetzung könnte besser nicht sein: Robert Meyer, der Volkopern-Intendant höchstpersönlich spielt und interpretiert “nur über meine Leiche” (Meyers erste Reaktion auf den Vorschlag, dieses Stück in den Volksopern-Spielplan aufzunehmen) den für seine bösen Taten zu ermordenen korrupten Richter Turpin authentisch. Morten Frank Larsen ist sowohl stimmlich als auch schauspielerisch die Idealbesetzung für den frustrierten und am Leben verzweifelnden Sweeney Todd wie auch Tom Schimon als Tobias Ragg, Anita Götz als Joanna und Vincent Schirrmacher als Pirelli ideal besetzt sind. Sensationell in jeder Hinsicht und damit unübertroffen hingegen interpretiert Dagmar Hellberg (erstaunlich wie wenige CDs und DVDs es mit diesem Ausnahmetalent gibt) Mrs Lovett. Ein großes Kompliment gebührt an dieser Stelle übrigens auch dem an diesem Abend hervorragenden Orchester der Volksoper unter der Leitung von Joseph R. Olefirowicz.
Zugegeben: “Sweeney Todd” ist skuril und blutrünstig (6 Liter Kunstblut werden pro Vorstellung vergossen), aber künstlerisch ist diese Aufführung in der Wiener Volksoper hervorragend und der Besuch sehr zu empfehlen: Und auch wenn dies nicht jedem passt: Kunst und Kultur müssen provozieren: politisch wie gesellschaftlich. Aber was wir tatsächlich inhaltlich aus der Vorstellung lernen -falls wir das sollen- bleibt uns selbst überlassen.
Das Wirken von Jesus Christus auf Erden hat die Kunst seit jeher nicht nur geprägt, sondern auch inspiriert. Künstler aller Jahrhunderte haben darum gerungen, ihre jeweilige Sicht der Menschwerdung Gottes in Skulpturen oder Malereien in der Literatur und in der Musik zu verewigen. Andrew Lloyd Webber (Texte: Tim Rice), welcher später selbst sogar ein christliches Requiem im Gedenken an seinen verstorbenen Vater schrieb und der wiederum später zusammen mit Jim Steinman (“Tanz der Vampire”) mit “Whistle Down The Wind” (vgl. dazu auch meine Kritik von 2006) ein weiteres “Jesus”-Musical schuf, komponierte nach der Adaptierung eines alttestamentlichen Themas (“Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat”) bereits 1970 die Rockoper “Jesus Christ Superstar”, welche nach wie vor zu den bekanntesten und meist aufgeführten Musicals überhaupt gehört. Zu klären, ob dieser Musical-Jesus auch dem christlichen entspricht, ist freilichs nicht Aufgabe meiner Kritik.
Die Bühne Baden bei Wien in Niederösterreich (NÖ) produziert neben zahlreichen vielbeachteten Operetten seit Jahren auch erfolgreich Musicals. So gabs unlängst die österreichische Erstaufführung von “Xanadu”. Und ebenfalls in diesem Jahr war am 10. August die Premiere von “Jesus Christ Superstar” in Baden unter der Regie von Hausherr Robert Herzl angesagt. Und diese ist eine gelungene und sehr sehenswerte Produktion -ein absolutes Highlightmit kleinen “Schönheitsfehlern”:
Es gibt wohl -zumindest im gesamten deutschen Sprachraum- wenige Musical-Stars, welchen diesen Titel wahrlich verdienen. Spätestens seit seiner Interpretation von Judas Ischariot in der Badener Inszenierung von Jesus Christ Superstar wird er von mir hiermit “geadelt”: Chris Murray. Selten zuvor habe ich auf der Musicalbühne jemanden erlebt, der nicht nur gesanglich sensationell ist, sondern auch in der Lage ist, seine Rolle so glaubwürdig zu spielen. Allein seiner Interpretation wegen lohnt sich bereits der Besuch der Rockoper in Baden (wird 2014 übrigens erneut ins Programm genommen, wie Intendant Herzl im Anschluss auf der Premierenfeier ankündigte).
Gesanglich und schauspielerisch ebenfalls außergewöhnlich der Südtiroler Erwin Windegger, welcher Pontius Pilatus so authentisch spielt, wie man dies kaum für möglich halten würde: er zweifelt und er kämpft, resigniert letztlich doch und fügt sich dem Willen der aufgehetzten Mengenmenge. Diese Rolle hatte Windegger übrigens bereits in der Saison 2004/2005 bei den Vereinigten Bühnen Bozen verkörpert, wo er auch für die Regie der Rockoper verantwortlich zeichnete.
Karin Seyfried hat zwar durchaus eine für ihre Rolle (Maria Magdalena) passable Stimme, scheitert jedoch leider schaupielerisch: sie wirkt -trotz gefälliger Kostüme (Ausstattung: Pantelis Dessyllas)- ausdrucksschwach und gefühllos, ja eher kalt und kein Liebesfunke wird sichtbar, wenn sie diese zu Jesus musikalisch umschreibt. Probleme mit den tiefen Tönen, welche diese Rolle geradezu auszeichnen, hat Artur Ortens als Hoherpriester Kaiphas, während Beppo Binder als Annas hervorragend agiert, so auch Stefan Bleiberschnig als Petrus und ganz besonders Markus Neugebauer als Simon Zelotes. Vollkommen lächerlich und gerade deswegen gleichermaßen auch genial und lustig interpretiert Thomas Markus den Herodes.
Darius Merstein MacLeod als Jesus leidet, weniger am Kruezestod, sondern vielmehr am Unverständnis der Menschen für seine Mission, welche doch eine göttliche und keine menschliche ist, am meisten jedoch daran, dass ausgerechnet einer seiner Auserwählten, ein Apostel, Judas ihn verrät. Merstein und Murray sind übrigens ein geiniales Künstler-Duo, wie sie auch schon als Jean Valejan und Javert in der Bedener Produktion von “Les Miserables” beweisen haben.
Merstein interpretiert Jesus musikalisch wie schauspielerisch großartig und äußerst würdig, ja manchmal beinahe schon “devot”. Umsomehr verwundert, dass er in der Inszenierung von Herzl plötzlich aus heiterem Himmel heraus mit einem Maschinengewehr durch die Gegend schießt, um die Händler aus dem Haus Gottes, dem Tempel zu vertreiben.
Das passt einfach nicht, genausowenig, wie die Erhängungs-Szene des Judas viel zu kurz angedeutet wird und so auch nicht wirken kann und ein leeres Kreuz während der Kreuzigung ist vielleicht auch nicht ganz ideal. Ansonsten aber ist Robert Herzl zu seiner Version von “Jesus Christ Superstar” in Baden sehr zu gratulieren und zu applaudieren.
Von der ursprünglich so komponierten Rockoper bleibt in Baden zwar wenig übrig, weil das Orchester unter der Leitung von Franz Josef Breznik zwar großteils gut musiziert, jedoch die rockigen Elemente vielfach fehlen, was auch an der Tontechnik in Baden liegen, welche bei der Premiere die Audioeinstellungen auch der Singmikrophone mangelhaft vorgenommen hatte und bedauerlicherweise oftmals nicht mal rechtzeitig die entsprechenden Mikrophone öffnete. Diese kleinen Mängel, welche jedoch das Hörvergnügen beeinträchtigen, werden hoffentlich rasch behoben werden können.
Das Premieren-Publikum war begeistert und gab Standing Ovations. Und: trotz meiner Kritikpunkte: Ich bin auch begeistert.
Also: nach Baden fahren und genießen.
Gewiss: Auch dank den finanzkräftigen Vereinigten Bühnen Wien (VBW) (Wien Holding) im Hintergrund schaffte es das Musical “Elisabeth” von Sylvester Levay und Michael Kunze verdientermaßen zu Weltruhm. Doch bereits 1991 schuf der österreichische Komponist Roland Baumgartner mit “Sissi & Romy” ein Werk, welches damals bei den Seefestspielen von Mörbisch uraufgeführt wurde und welches ebenfalls in die Musicalgeschichte eingehen sollte. Später tourte dieses Musical dann mehrmals musikalisch und textlich überarbeitet vor allem unter dem Titel “Sisi – Kaiserliche Schönheit” durch Deutschland und Österreich, wo es unter anderem auch im Wiener Ronacher aufgeführt wurde. Hier sangen Domino Blue und Matthias Reinthaller die Hauptrollen.
Für das Wiener Pygmalion Theater schuf Roland Baumgartner (übrigens mit einer Fanseite auch auf Facebook vertreten) eine vollständige Neufassung seines Musicals (Premiere war am 22. Mai), in der mehr denn je zuvor “Die Seele einer Kaiserin” beleuchtet werden sollte: Baumgartner stellt Sisi ihre Seele Titania (hervorragend interpretiert von Ingeborg Mammerler) gegenüber, welche ihr Leben ständig hinterfragt: von der ersten Begegnung mit Kaiser Franz Joseph bis zu ihrer tragischen Ermordung.
Merle Saskia Krammer ist eine exzellente Kaiserin Elisabeth in der Neufassung des Musicals, diesmal mit dem Titel “Sisi – Die Seele einer Kaiserin”: sowohl schauspielerisch, tänzerisch (schon bewegend, sie auf Korfu unter den entsetzten beobachtenden Augen von Franz Joseph einen Sirtaki -der übrigens in der 1999er-Version schon mal mit dabei war- tanzen zu sehen) gesanglich berührt und bewegt sie das Publikum und nimmt es mit auf ihre tragische Lebensreise. Und ihr kaierlicher Gemahl Franz Joseph ist -optisch, gesanglich und schauspielerisch- sehr würdig interpretiert von Till von Orlowsky. Pygmalion-Chef Geirun Tino, der für Bühne und Regie der Neuproduktion in seinem Haus in der Wiener Alser Straße verantwortlich zeichnet, inszeniert sehr feinfühlend und geschmackvoll.
Gerade Menschen auf der Bühne sterben zu lassen, ist ein sehr sensibles Thema: Tino gelingt es mit seiner Inszenierung, bedrückend realistisch sowohl Rudolf (Reinhold Gugler spricht -im Gegensatz zu vorherigen Versionen, wo der Inhalt gesungen wurde- seinen Text authentisch) als auch die Kaiserin selbst sterben zu sehen und die Zuschauer in diese Handlung mit hineinzuziehen.
Neu in dieser Inszenierung mit dabei ist Andreea Chira, eine Meisterin ihres Faches: es wirdweltweit sicher wenige Panflöten-Spieler geben, die gleichermaßen gefühlvoll wie technisch ihr Instrument beherrschen wie sie. Dafür muss man sich beim Hören von Luka Gudelj bei der Rolle des Graf Andrasy ernsthaft Sorgen um den Verlust seiner Stimme machen, interpretiert er doch zu massiv stimmbänderbelastend, was bei seinem Duett mit Sisi (als Reitlehrer) glücklicherweise nicht so extrem, vielmehr ausgesprochen angenehmer klingt. Eine außergewöhnliche Bühnenpräsenz weist Nele Moser (Nene) auf, deren Persönlichkeit man sich kaum entziehen kann. Hingegen wirken die beiden zusätzlichen Rollen für Ingeborg Mammerler (Zeitungsjunge) und für Reinhold Gugler zu “theatralisch”.
Das Musical “Sisi – Die Seele einer Kaiserin” wird in den kommenden Wochen und Monaten noch öfters live im Wiener Pygmalion Theater live aufgeführt. Die Tickets sind zum Einheitspreis von 20 Euro erhältlich. Wer sich für Kaiserin Sisi und ihre wahre Geschichte -Roland Baumgartner erzählt sie musikalisch anhand ihrer Tagebuchaufzeichnungen- interessiert, sollte sich dieses Musical keinesfalls entgehen lassen.
Besetzung:
Sisi: Merle Saskia KRAMMER
Kaiser Franz Josef: Till VON ORLOWSKY
Nene: Nele MOSER
Graf Andrasy / Bay Middleton: Luka GUDELJ
Hofdame: Astghik KHANAMIRYAN
Titania / Zeitungsjunge: Ingeborg MAMMERLER
Lucheni / Rudolf: Reinhold GUGLER
Hofdame / Panflöte: Andreea CHIRA
“Sisi. Die Seele einer Kaiserin”, ein Musical des österreichischen Komponisten Roland Baumgartner feiert am 22. Mai seine Premiere im Wiener Pygmalion Theater. In einer gänzlich anderen Version unter dem Namen “Sissy & Romy” wurde die Musical-Operette mit Claudia Dallinger, Peter Dvorsky, Marc Berry, Sigrid Martikke und Brigitte Jänger bereits 1991 bei den Seefestspielen in Mörbisch uraufgeführt und tourte später in abgänderten Versionen vor allem unter dem Titel “Sisi – Kaiserliche Schönheit” mit Domino Blue in der Hauptrolle durch Österreich (darunter im Wiener Ronacher, in Bad Ischl und in St. Veit) und in München.
Für das Wiener Pygmalion Theater hat Roland Baumgartner nun sein Musical (Text und Musik) erneut gänzlich überarbeitet, in dieser Version wird es also in Wien erstmals zu sehen sein. Regie führt Theater-Chef Geirun Tino (Ana Craciun). Das Musical wird nach der Premiere sowohl im Mai als auch im Juni regelmäßig aufgeführt. Für diese Vorstellung gilt der Einheitstarif in Höhe von 20 Euro. Ermäßigungen, Montagskasse sowie Kulturpass sind von dieser Veranstaltung ausgenommen.
Besetzung:
Sisi Merle Saskia KRAMMER
Kaiser Franz Josef Till VON ORLOWSKY
Nene Nele MOSER
Graf Andrasy / Bay Middleton Luka GUDELJ
Hofdame Astghik KHANAMIRYAN
Titania / Zeitungsjunge Ingeborg MAMMERLER
Lucheni / Rudolf Reinhold GUGLER
Hofdame / Panflöte Andreea CHIRA
Komposition Roland BAUMGARTNER
Regie & Bühne Geirun TINO
Korrepetitorin Ana CRACIUN
Inhalt des Musicals:
Es ist der 10. September 1898.
Bei einem Attentat in Genf wird Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn, genannt Sisi, von einem italienischen Anarchisten mit einer Feile erstochen.
Eine Reise in die Vergangenheit. Sisis Schwester Nene soll mit Kaiser Franz Josef bekannt gemacht und die Vermählung angebahnt werden. Der Kaiser entscheidet sich jedoch für Sisi, der Hofstaat ist irritiert, doch die Hochzeit des neuen Kaiserpaares findet statt.
Graf Andrasy, der Kaiserin Sisi sehr zugetan ist, möchte die friedlichen Interessen seiner Heimat Ungarn fördern, und setzt sich bei Sisi ein, dass der herrschende Krieg beendet werde. Diesen Wunsch erfüllt sie ihm, Frieden kehrt ins Land.
Sisi erlebt eine Romanze mit dem englischen Reittrainer Bay Middleton, und reist anschließend, unter dem Druck und unerbittlichen Argwohn der Öffentlichkeit leidend nach Korfu, wo sie ein ausschweifendes Leben führt. Kaiser Franz Josef reist ihr nach, um seine Ehe mit Sisi zu rettenund sie zu sich nach Wien zu bringen.Werden seine Bemühungen erfolgreich sein? Wird Sisi der Einsamkeit an der Spitze der Macht trotzen können? Oder werden Neid und Eifersucht der Gesellschaft sie zu Fall bringen?
Es ist immer wieder ein besonderes Vergnügen (vgl. auch meine bisherigen Kritiken über seine Abende), den wohl bedeutendsten Musical-Star im deutschsprachigen Raum, Thomas Borchert, in einem Soloprogramm live zu leben. Regelmäßig ist er damit auch in Wien zu Gast, so auch vergangenen Winter mit “Borchert Besinnlich”. So sowohl gefühlsmäßig und auch technisch brilliant wie dieses Mal habe ich Borchert noch nie “Bring Him Home” singen hören.
Und auch “Borchert Besinnlich” selbst hat sich entscheidend verändert: Während Borchert in den Jahren zuvor in diesem meist eine Mischung aus weihnachtlichen Songs mit seinen größten Musical-Hits darbot, war es dieses Mal vor allem ein “echtes” Weihnachtskonzert mit fast ausschließlich weihnachtlicher Musik. Selbst die größten Borchert-Erfolge wie beispielsweise “Die Unstillbare Gier” fehlten: Klar bedauere ich das einerseits sehr, andererseits aber gibt es ja auch andere Borchertabende, wo er diesen Sing zum Besten gibt. Und sein Gast in Wien war diesmal keine Frau, sondern ein Wiener Künstler, mit dem Borchert bereits gemeinsam auf der Bühne stand: Thomas Weissengruber (Borchert war Graf Krolok im “Tanz der Vampire”, während Weissengruber dessen Assistent Koukul interpretierte): Das Programm war daher dieses Mal wienerischer als je zuvor. Und der Abend war stimmig und weihnachtlicher denn je zuvor. Danke: weiter so.
“Borchert Besinnlich” wirds glücklicherweise auch 2013 geben, diesmal mit Felix Martin (den man in Wien vor allem als Marius in “Les Miserables” kennt) als Special Gast: Am 17.12.2013 in Ebertbad Oberhausen und am 9.12. im Wiener Akzent. Borcherts ganz spezielles “Adventertainment” präsentiert Lieder die von Weihnacht, Winter und Wehmut erzählen, aber auch echte Schmankerl voller Witz und Wonne. Dazu gesellen sich natürlich unvergessliche Titel aus seinem großen Musicalrepertoire. In der Neuauflage von “Borchert Beflügelt”– der Kultshow von 2005 und 2006 – interpretiert Thomas Borchert zudem an zwei Abenden seine eigenen Songs, sowie Titel anderer Komponisten, die sein Leben begleitet haben: am 07.09.2013 in Ebertbad Oberhausen und am 26.9. im Theater Akzent in Wien. Bei seinem Kult-Programm “Borchert Beflügelt” präsentiert sich der charismatische Künstler und Entertainer vornehmlich als Singer & Songwriter seiner eigen-komponierten und verfassten Songs, die sich stilistisch zwischen Chanson und Pop bewegen. An allen Abenden wird Marina Komissartchik am Piano Thomas Borchert begleiten.
Selten, vielleicht gar zu selten ,schreibe ich auch Kritiken über Filme. Ein guter Anlass, diese “Tradition” jetzt zu brechen, sind nicht nur zwei außergewöhnliche “Kunst”-Filme, welche aktuell im Kino zu sehen sind, sondern ist auch die Oscar-Verleihung 2013 in wenigen Tagen:
Auf dem Programm dieser Kino-Kurzkritik stehen “Lincoln” von Steven Spielberg und “Les Miserables” von Tom Hooper:
Ja es stimmt: Steven Spielberg hat sich in seinem Filmepos nicht wirklich an historische Fakten gehalten, gilt Abraham Lincoln -historisch betrachtet- doch als gemäßigter, aber keinesfalls als verbissener und energischer Gegner der Sklaverei, als der er im Film dargestellt wird. Aber wer ins Kino geht, um authentischen Geschichtsunterricht (und gibt es solchen überhaupt?) zu erhalten, ist dort wohl sowieso fehl am Platz:
Selbstverständlich hat ein Regisseur künstlerische Freiheiten bei dem, was er macht. Und es gibt wohl wenige Anliegen, die für Spielberg persönlich wichtiger wären, sie auch in seinen Werken zu vermitteln als die Menschenrechte und der Kampf gegen Sklaverei und Ungleichbehandlung von Menschen verschiedener Hauptfarbe, vor allem von Schwarzen (Filme: “Die Farbe Lila”, “Amistad” und jetzt “Lincoln”). Und da es Spielberg in seinen Filmen viel weniger um ein Hobby geht, sondern vielmehr darum, was zu vermitteln (Botschaft): warum sollte er dann in seinem aktuellen Film “Lincoln” nicht anhand eines US-Präsidenten, der es tatsächlich geschafft hat, zumindest auf dem Papier die Sklaverei, sein Anliegen noch mehr unterstreichen und betonen, als es historisch tatsächlich der Fall war?
Für mich ist “Lincoln” eindeutig in jeder Hinsicht der Film des Jahres und er verdient einen Oscar sowohl von der Regie und vom Drehbuch (Tony Kushner) her als auch als Film insgesamt. Den Oscar als besten Hauptdarsteller würde ich zwar dennoch nicht an Daniel Day-Lewis (in der Titelrolle des Films) vergeben, aber dafür unbedingt an Tommy Lee Jones, welcher in der Rolle des republikanischen Anti-Sklaverei-Polemikers Thaddeus Stevens köstlich für gehörigen Wirbel sorgt.
Der Film selbst ist zwar äußerst “langsam”, aber er lebt lobenswerterweise von intelligenten Dialogen. Und der Score (Filmmusik) von John Williams passt exzellent dazu. Mein Tip: Den Film anschauen, so lange er noch im Kino zu sehen ist.
Zugegeben: “Les Miserables”, dieses große Epos über wahre Liebe und Menschlichkeit, die selbst den drohenden Tod übersteigt, ist seit vielen Jahren mein Lieblingsmusical und daher war es Muss, dessen Verfilmung im Kino zu sehen. Die gesamte Handlung und auch das Drehbuch selbst sind von den Original-Autoren und Komponisten Alain Boublil, Herbert Kretzmer (zusammen mit William Nicholson) und Claude-Michel Schönberg und auch vom Original-Produzenten des Musicals, Cameron Mackintosh produziert. Dementsprechend ist -entgegen anderslautenden Kommentaren- die Verfilmung ganz im Sinne der Schöpfer des Original-Musicals.
Tom Hooper als Regisseur setzt den Inhalt des Musicals gut, jedoch nicht exzellent (noch zu wenig stimmig) um, dafür fehlt ihm wohl noch die nötige Erfahrung. Ich hätte vermutlich Baz Luhrmann mit der Regie beauftragt. Es fließen viele Tränen und Schmerz, Leiden, Armut, Ungerechtigkeit und Tod schmerzen teils aufgrund der Eindringlichkeit und des Pathos, mit welcher der Inhalt vermittelt wird: und das gefällt mir so: ein Musical muss mich berühren und eine Musical-Verfilmung natürlich mindestens genau so.
Hugh Jackman als Valejan ist verdient als bester Hauptdarsteller Oscar-nominiert und er verdient diesen auch zweifellos: Noch nie habe ich ihn vorher so genial erlebt sowohl als Schauspieler als auch überraschenderweise als großartiger (leider jedoch nicht in “Bring him Home”) Sänger. Ebenfalls ganz sensationell: Anne Hathaway als Fantine, welche sich eine Auszeichnung als beste Nebendarstellerin verdienen würde. Positiv aufgefallen ist mir (neben einem außergewöhnlich guten Orchester unter der Leitung des Londoner WestEnd-Dirigenten Stephen Brooker; die Orchestrierung stammt übrigens von der genialen Komponistin Anne Dudley) zudem Eddie Redmayne als Marius, welcher mal nicht wie viele seiner Vorgänger in Liebessülze versinkt. Valejans Gegenspieler Javert hingegen ist eine glatte Fehlbesetzung: Russel Crowe ist zwar ein exzellenter Schauspieler, aber dieses Musical ist offenbar nicht seine Welt: weder schauspielerisch und erst recht nicht gesanglich: warum gab man diese Rolle nicht dem gleichermaßen gesanglich wie schauspielerisch genialen Norm Lewis? Ebenfalls sehr schwach finde ich auch Sacha Baron Cohen und Helena Bonham Carter als Ehepaar Thénardier. Dafür hat mich die zumindest kleine Rolle als Bischof für den Original Jean Valejan aus dem Jahr 1985, Colm Wilkinson, im Film ganz besonders gefreut.
Wer das Musical “Les Miserables” oder überhaupt Musicalfilme liebt, kommt an diesem Film -trotz einiger Schwächen- nicht vorbei.
Und hier können Sie sowohl in die Filmmusik von “Les Miserables” als auch in den Score von “Lincoln” reinhören:
Zugegeben: Wer sich den Original-Sound von ELO (Electric Light Orchestra) beim Musical “Xanadu” im Stadttheater Baden erwartet und den unbedingt hören will, wird wohl enttäuscht werden: den gibts nämlich nicht. Wer aber bereit sich, auf diese großartige Musik von Jeff Lynne und John Farrar (Buch: Douglas Carter Beane) neu einzulassen, der wird vermutlich genau so begeistert sein wie ich von den musikalischen Neuarrangements von Pavel Singer für klassisches Orchester -übrigens eine Weltpremiere, was diese Orchesterfassung betrifft. Selbstverständlich ist das Orchester der Bühne Baden (an diesem Abend) unter der gekonnten Leitung von Oliver Ostermann nicht das Electric Light Orchestra. Und das sollte man sich auch nicht erwarten: es ist eben weder eine Big-Band noch ein Pop-Orchester.
Ansonsten bin ich einfach hellauf begeistert: sowohl vom Musical selbst (spannend, humorvoll und geile Musik; und nicht jedes Musical muss unbedingt inhaltlich hochanspruchsvoll sein), als auch von dieser konkreten Produktion in Baden: Die Inszenierung von Ricarda Regina Ludigkeit ist gelungen, und die Ausstattung (Thomas Stingl), vor allem die Haarpracht der griechischen Götter ist ein optischer Hochgenuss.
Und auch die “Xanadu”-Besetzung in Baden kann sich sehen lassen: Andreas Wanasek spielt die technisch äußerst anspruchsvolle Hauptrolle, den Künstler Sonny Malone großartig: dieser junge Mann hat eindeutig ein großes Talent, sowohl schauspielerisch als auch im Tanzen als auch als Sänger: es gibt erstaunlich wenige (auch weit erfahrenere) in der Musical-Branche, die auch Falsett in einer solchen Perfektion singen können wie Wanasek. Ihm zur Seite steht Dagmar Bernhard als talentierte (mit einer verblüffend Olivia Newton-John ähnlichen Klangfarbe in der Stimme) rollschuhfahrende Muse, die gekommen ist, um dem jungen Maler zu inspirieren.
Vor Jahrzehnten hatte sie schon mal einen jungen Künstler (Danny Maguire, interpretiert von Martin Niedermair) inspiriert, der jedoch dann dem schnöden Mammon verfiel, weswegen er von ihr verlassen wurde. Und gerade jener soll nun den dem jungen Künstler die Chance bieten, im von ihm damals gebauten Theater Xanadu seine Träume zu verwirklichen. Vielleicht würde ja auch alles klappen, gäbe es da nicht die Eifersucht unter den Musen, welche zu problematischen Intrigen führt: Wenn das bloß gut geht, ist doch vor allem Tina Schöltzke eine so glaubhaft “böse Frau” (Kalliope) im Musical, dass einfach jeder fiese Plan gelingen muss (?) Ich habe noch selten eine so großartige Schauspielerin erlebt wie sie jetzt in “Xanadu”.
Wenn man ein Theater zufriedener und glücklicher verlässt als man es betreten hat, dann ist dem gesamten Ensemble Großartiges gelungen: Genau dies ist bei “Xanadu” in Baden der Fall: Intendant Robert Herzl (rechts am Foto mit Wanasek und Bernhard) kann stolz auf sein Team sein. “Xanadu” (deutsche Textfassung von Daniel Call mit englischen Original-Songs) in Baden ist so eine Produktion, von denen es leider viel zu wenige gibt: bitte mehr davon:-)
Also mein Urteil: Schauen Sie sich das Musical “Xanadu” (am Spielplan noch bis März) in Baden an: es hat höchsten Unterhaltungswert: Mögen die Musen mit Ihnen sein und Sie inspirieren!
Vollständige Hauptrollen-Besetzung (in alphabetischer Reichenfolge):
Dagmar Bernhard / Wilbirg Helml / Jing Kun / Miriam Mayr / Tina Schöltzke / Ariane Swoboda / Martin Niedermair / Kevin Perry / Benjamin Rufin / Marcus Tesch / Andreas Wanasek