Mit ‘Otto Klemperer’ getaggte Artikel

Sonntag, 4. August 2013, von Elmar Leimgruber

Musik für die Ewigkeit: Kammeroper “Der Marilyn Monroe Prozess” (Kritik)

Als 21-Jähriger war Roland Baumgartner bereits Leiter des Salzburger Musikschulwerks. Später setzte er sich in einem amerikanischen Kompositionswettbewerb sogar gegen seinen hochgeschätzten Mentor Leonard Bernstein durch und dirigierte die offizielle Musik zur 200-Jahrfeier der amerikanischen Verfassung in Anwesenheit des US-Präsidenten. In den letzten Jahren fand -neben Opernpremieren in Hof bei Bayreuth und Bamberg- letzthin in der Staatsoper Bratislava die umjubelte Premiere seiner neuesten Oper “Maria Theresia” statt.

Und dennoch ist Roland Baumgartner als Komponist in seiner Heimat Österreich selbst noch weitgehend unbekannt.

Sein allerneuestes Werk ist die Kammeroper “Der Marilyn Monroe Prozess”, welche seine Premiere zunächst bei den Festspielen in Kirchstetten (NÖ) feierte und anschließend im Wiener Pygmalion feierte.Ich kenne und schätze Roland Baumgartners Musik seit Jahren und glaubte, sie bislang vollständig zu kennen: bis jetzt. Und doch gibts -wie bei jedem Komponisten- selbstverständlich qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Werken. In bewegenden Zeiten und als Bewunderer der außergewöhnlich berührenden Musik der beiden genialen Komponisten des 20. Jahrhunderts Benjamin Britten und Dmitri Shostakovich und des beeindruckendsten Dirigenten dieser Zeit, Otto Klemperer, finde ich die Zeit reif für Musik, die nicht beruht oder in den Schlaf der Vergessenheit wiegt, sondern die aufweckt, mobilisiert, bewegt und erregt:

Roland Baumgartner  trifft mit seiner Kammeroper “Der Marilyn Monroe Prozess” (geschrieben für Streicherquartett und Stimmen) genau den Nerv den Zeit: Seine neue Musik lässt niemanden kalt, sondern wühlt auf, reißt mit und zieht den Zuschauer und Zuhörer, ob er will oder nicht, hinein in seinen Bann.

Ich gebe es zu: Marilyn Monroe war mir immer egal. Seit dieser Kammeroper von Roland Baumgartner hingegen habe ich das Gefühl, dass ich sie persönlich kenne und dass mir ihr Leben und ihr Schicksal daher nicht gleichgültig sein kann. Und dabei ist diese Kammeroper viele Jahrzehnte nach ihrem Tod -noch dazu im Weinviertel (nahe Wien)- angesetzt und tritt Marilyn selbst im Stück gar nicht auf. Vielmehr geht es im Stück um einen Gerichtsprozess, der entscheiden soll, ob mitten in der österreichischen “Provinz” eine Straße nach dieser “Sex-Ikone” benannt werden darf oder nicht.

Bei dieser an sich langweiligen Thematik musikalisch so eine Spannung und innere Auseinandersetzung mit dem Phänomen Marilyn Monroe zu schaffen, ist wahre Kunst: Mit dieser Kammeroper hat Roland Baumgartner ein musikalisches Niveau erreicht, das seinesgleichen zumeist vergeblich sucht: Seine neue Musik hat alles, ausnahmslos alles, was unsere heutige bewegte Zeit braucht: sie bietet nicht klare Antworten, sondern wirft Fragen auf und ermutigt dazu, bisher sicher Geglaubtes zu hinterfragen: genau das muss Kunst tun: wecken, aufrütteln, bewegen.

Für die Sänger ist Baumgartners Musik äußerst schwer zu bewältigen: Catarina Coresi Lal aber beweist mit ihrer leidenschaftlichen und präzisen Interpretation der Hauptrolle (Verteidigerin), dass sie wohl zu den talentiertesten dramatischen Sopranen der Gegenwart gehört. Till von Orlowsky agiert als souveräner Richter zwischen den Fronten und Elisabeth Wolfbauer setzt all ihre Energie schauspielerisch wie gesanglich dafür ein, als Staatsanwältin Anwältin und Beschützerin der “anständigen” Bürger und ihrer “heilen Welt” im Weinviertel zu sein.

In der Inszenierung und Regie von Pygmalion-Chef Geirun Tino werden die Zuschauer -ob sie wollen oder nicht- zu Geschworenen in diesem Prozess, was natürlich auch nach der Vorstellung weiter zu denken gibt. Großartig musiziert auch das Streichquartett (Paula Rahbari, Sivia Reiß, Sebastian Reiß, Julia Schöllauf) unter der professionellen Leitung von Andrija Pavlic.

Leider finden aktuell keine Aufführungen der Kammeroper “Der Marilyn Monroe-Prozess” von Roland Baumgartner mehr statt, was ich sehr bedauere: Dieses Werk verdient -trotz oder vielleicht gerade wegen seiner “Intimität” wie kein zweites, auf den bedeutendsten (Opern)bühnen der Welt aufgeführt zu werden: Kunst darf heute nicht mehr harmlos dahintümpeln, sondern muss herausfordern: Diese Kammeroper ist eine Antwort auf die Zeichen der Zeit: Also wenn es wieder die Gelegenheit dazu gibt, sie anzuschaun: hingehn, staunen und sich bewegen lassen.

Freitag, 22. April 2011, von Elmar Leimgruber

Zum heutigen Karfreitag: Brahms: Ein Deutsches Requiem

vgl. meine Kulturkritik: http://www.redakteur.cc/brahms-requiem-barenboim-die-himmelsleiter-cd-besprechung/

Samstag, 3. April 2010, von Elmar Leimgruber

Hintergrund-Kommentar zu “Resurrection” von magnam gloriam und Kritik verschiedener Messias-Interpretationen

Hier eine exklusive Hintergrund-Info zur aktuellen Maxi-CD “Resurrection” von magnam gloriam, produced by elmadonmusic.com: Die Urkomposition, die diesem Song zugrundeliegt, ist jahrhundertealt und stammt von keinem Geringeren als von Georg Friedrich Händel (1685-1759).

Dessen bekanntestes Oratorium ist “Der Messias“, verfasst im Original auf englisch (“Messiah“), da Händel damals sehr viel in London unterwegs war. Als Libretto verwendete Charles Jennens passende Bibelstellen des Alten und Neuen Testaments.

Mein Lieblingssong daraus ist seit Langem jene österliche Bass-Arie mit dem Titel “The Trumpet shall sound“, dessen Text aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther im Neuen Testament stammt:

- The trumpet shall sound, and the dead shall be raised incorruptible, and we shall be changed. For this corruptible must put on incorruption and this mortal must put on immortality.  (I Corinthians 15:52-53)

- Die Posaune wird erschallen, die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden. Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit. (1 Kor 15,52-53)

Und eben diese Bass-Arie ist es, die Sie in verschiedenen neuen elmadonmusic-Arrangements (unter anderem eine klassische Streicher-Version und eine innovative A Cappella-Variante) auf der neuen Maxi-CD “Resurrection” von magnam gloriam hören:

Ich habe bereits vor einigen Jahren hier die Gesamtaufnahme von Händels “Messias” unter Richard Bonynge besprochen.
Inzwischen muss ich meine Meinung hierzu leider revidieren (jene Aufnahme liegt maximal im Mittelfeld, obwohl die Ambrosian Singers zu den besten Sängern der Welt gehören und dies auch hier unter Beweis stellen), da ich mittlerweile 23 Aufnahmen davon kenne:

Es gibt weit bessere Aufnahmen des “Messias”: Eindeutig und weit vor allen anderen an erster Stelle steht nun bei mir die Gesamtaufnahme der Academy of Ancient Music unter der Leitung ihres Gründers Christopher Hogwood aus dem Jahr 1980, basierend auf der Foundling Hospital Version des Komponisten dieses Oratoriums aus dem Jahr 1754. Hier passt einfach alles: Das historische Instrumente spielende Orchester, DER Händelspezialist Hogwood am Dirigentenpult und hervorragende Solisten (Judith Nelson, Emma Kirkby, Carolyn Wakinson, Paul Elliott und vor allem David Thomas).

An zweiter Stelle steht die Interpretation des “Messiah”; (ebenfalls die 1754er-Version) durch Paul McCreesh und seinem Gabrieli Consort & Players: Diese Volldigitalaufnahme zeichnet sich vor allem klanglich aus und das Gabrieli Consort ist einfach ein grossartiger Chor.

Gleichauf an zweiter Stelle kommt eine historische “Messiah”-Gesamt-Aufnahme aus dem fernen Jahr 1965 mit dem Philharmonia Orchestra unter Otto Klemperer: Sie ist zwar technisch keinesfalls auf dem heutigen Level, aber sie ist von einer solchen Inbrunst, dass sich bei mir immer wieder Gänsehaut beim Zuhören entwickelt. Das ist einmalig, gerade, weil die Aufnahme so “alt” ist.

An dritter Stelle steht eine weitere Aufnahme der Academy of Ancient Music, diesmal die Version aus dem Jahre 1751 und volldigital eingespielt im Jahr 2006 und unter der Leitung von Edward Higginbottom: Ein nach wie vor authentisches Orchester mit grossartigen Solisten interpretiert vorbildlich.

Dann kommen viele weitere Aufnahmen, die in meiner Bewertung irgendwo im Mittelfeld liegen, z.B. eine deutschsprachige Interpretation der Mozart-Bearbeitung des “Messias” unter Rilling, sowie die englischen Gesamtaufnahmen unter Neville Marriner, Andrew Parrott, Johannes Somary, Trevor Pinnock, Stephen Cleobury oder Karl Richter.

Besonders positiv erwähnt sei zudem die deutschsprachige Version des “Messias” aus dem fernen Jahr 1965 mit dem Münchener Bach-Chor und Bach-Orchester (mit Gundula Janowitz, Marga Hoeffgen, Erst Haefliger und Franz Crass als Solisten) unter Karl Richter.

Am unteren Ende der Charts kommen dann die Aufnahmen unter Yehudi Menuhin und unter Timothy Dean sowie die mit den Wiener Sängerknaben unter Peter Marschik, aber ganz am Ende, also meines Erachtens vollkommen unnötig, eines geistlichen Werkes unwürdig und einfach grottenschlecht in jeder Hinsicht ist die Gesamtaufnahme des “Messiah” mit dem London Symphony Orchestra unter Sir Colin Davis aus dem Jahr 1966.

Zur Veranschaulichung und zum Vergleich haben Sie hier die Möglichkeit, in 70 verschiedene Aufnahmen der Arie “The Trumpet Shall Sound” reinzuhören:

Freitag, 18. April 2003, von Elmar Leimgruber

Beethoven unter Hogwood: Bewegend und präzise (CD-Besprechung)

Herrlich dynamisch, präzise und bewegend ist diese Gesamtaufnahme der Symphonien von Beethoven unter der Leitung von Christopher Hogwood. Das Orchester The Academy Of Ancient Music spielt auf historischen Instrumenten, und dies einmalig schön. Ich habe etwa 10 verschiedene Aufnahmen der Beethoven-Symphonien, diese hier ist für mich eindeutig die bewegendste, die von Barenboim mit der Staatskapelle Berlin die spirituellste, die mit Klemperer und dem Philharmonia Orchestra die tiefste.