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Freitag, 3. Mai 2013, von Elmar Leimgruber

Internationaler Tag und Feinde der Pressefreiheit 2013

Zum heutigen Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai stellt Reporter ohne Grenzen (ROG) die neue Liste der „Feinde der Pressefreiheit“ vor. Sie umfasst rund 40 Staatschefs, paramilitärische Gruppen und kriminelle Netzwerke, die unabhängige Journalisten verfolgen und versuchen, Medien gleichzuschalten. Neue „Feinde der Pressefreiheit“ sind demnach Ägypten, Syrien und Pakistan. Die Liste ist hier abrufbar.

Zahlreiche Organisationen beziehen zum heutigen Welttag der Pressefreiheit Stellung, darunter der Österreichische Journalisten Club (ÖJC): “Pressefreiheit ist unteilbar. Wenn man die Morde an Journalisten in Mexiko, Syrien und Afghanistan verurteilt, dann muss man auch im eigenen Haus, zum Beispiel bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für freie und demokratische Medien, für Ordnung sorgen”, argumentiert ÖJC-Präsident Fred Turnheim und fordert einen “Runden Tisch zur Verbesserung der Pressefreiheit in Österreich”.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) appelliert aus Anlass des Internationalen Tags der Pressefreiheit an die Medienunternehmer in Deutschland, die Arbeitsbelastung der Journalisten zu reduzieren und die redaktionelle Personalausstattung zu verbessern: „Die Pressefreiheit muss gelebt werden“, forderte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. „Das ist nur möglich, wenn Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit haben, frei und kritisch zu recherchieren.“ Eine unterbesetzte Redaktion sei dazu ebenso wenig in der Lage wie ein freier Journalist, der mehr auf Masse als auf Klasse setzen müsse, um wirtschaftlich zu überleben, so Konken.

Die Österreichische Journalistengewerkschaft fordert zum heutigen Tag freien Zugang zu Information sowie die Sicherung der materiellen Basis der Medien und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. “Österreichs Politiker und Behörden betrachten die Information der Bürgerinnen und Bürger immer noch als Akt obrigkeitlicher Gnade. Wir fordern daher die gesetzliche Verankerung einer behördlichen Informationspflicht”, so Franz C. Bauer, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp. Der freie Zugang zur Information dürfe nicht Gegenstand behördlicher und politischer Willkür bleiben.

Den diesjährigen Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai nimmt der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) zum Anlass, mit einer Kampagne die Bedeutung von unabhängigen Zeitungen und Magazinen für die Wahrung der Pressefreiheit hervor zu streichen. “Wenngleich Soziale Medien Möglichkeiten des Meinungsaustausches bieten und Suchmaschinen Werkzeuge zur Informationsbeschaffung sind, können sie keine objektive Information gewährleisten oder gar die ‘Watchdog’-Funktion der freien Presse ersetzen”, zeigt sich VÖZ-Präsident Thomas Kralinger überzeugt.

Auf Platz 1 des ROG-Rankings der Pressefreiheit steht nicht mehr Norwegen (jetzt Platz 3) wie im Vorjahr, sondern heuer Finnland, gefolgt von den Niederlanden. Österreich verliert 7 Positionen und stürzt von Platz 5 auf 12. Die Schweiz verliert 6 Positionen und und belegt nun den 14. Platz, während Deutschland nur leicht absackt und jetzt auf Rang 17 liegt.

Neu auf der ROG-Liste der “Feinde de Pressefreiheit stehen u.a. die Muslimbruderschaft in Ägypten, die syrische Rebellengruppe Al-Nusra-Front und bewaffnete Rebellen im pakistanischen Baluchistan. Andere, wie die baskische Untergrundorganisation ETA und den birmanischen Präsidenten Thein Sein, zählt Reporter ohne Grenzen hingegen nicht mehr zu den „Feinden der Pressefreiheit“. Andere „Feinde der Pressefreiheit“ stehen seit Jahren unverändert auf der ROG-Liste. Dazu gehören RUSSLANDS Präsident Wladimir Putin, die Staatschefs von ASERBAIDSCHAN und BELARUS, Ilcham Alijew und Alexander Lukaschenko, Drogenkartelle aus MEXIKO, Mafiagruppen aus ITALIEN und Taliban-Chef Mullah Omar. Neu ist in diesem Jahr die Form, in der ROG die „Feinde“ präsentiert: Sie stellen sich in ironischen Selbstporträts vor oder werden in Form fiktiver Anklagen für ihre Verbrechen gegen die Pressefreiheit zur Rechenschaft gezogen.

In ÄGYPTEN tauschten die Muslimbrüder mithilfe ihrer Mehrheit im Parlament und ihrem Kandidaten Mohammed Mursi als Präsident die Herausgeber und Chefredakteure staatlicher Zeitungen aus und ersetzten sie mit Getreuen. Der von Mursi ernannte Generalstaatsanwalt Talaat Abdullah überzieht kritische Journalisten mit Klagen wegen Verleumdung, Beleidigung des Präsidenten und Verunglimpfung des Islam. Ausländische Korrespondenten werden als Spione diffamiert, einheimische Kollegen mit Gewalt bedroht.

In SYRIEN, wo seit Beginn des Aufstandes im März 2011 mindestens 23 Journalisten und 59 Bürgerjournalisten getötet wurden, zählt ROG Präsident Baschar al-Assad seit Jahren zu den „Feinden der Pressefreiheit“. Auf der aktuellen Liste stehen jedoch auch gegen ihn kämpfende Rebellen. Die im April 2011 gegründete Al-Nusra-Front greift systematisch Mitarbeiter syrischer Staatsmedien an, entführt Journalisten und bedroht ausländische Korrespondenten, die die Rebellen kritisieren. Neu hinzugekommen sind auf der Liste der „Feinde der Pressefreiheit“ 2013 außerdem religiöse Extremisten auf den MALEDIVEN und bewaffnete Gruppen in PAKISTAN, die in der rohstoffreichen Provinz Baluchistan für mehr Unabhängigkeit kämpfen.

In anderen Ländern hat sich die Situation laut ROG verbessert. Den Präsidenten von BIRMA, Thein Sein, zählt Reporter ohne Grenzen nicht mehr zu den „Feinden der Pressefreiheit“. Im Zuge innenpolitischer Reformen ließ er etliche regimekritische Journalisten frei, schaffte die Vorzensur für Printmedien ab und erlaubt seit April 2013 die Herausgabe privater Tageszeitungen. Ebenfalls von der Liste gestrichen wurde in SPANIEN die baskische Untergrundorganisation ETA, die den bewaffneten Kampf weitgehend eingestellt und Ende 2012 angekündigt hat sich aufzulösen. Nach wie vor müssen einige Journalisten im Baskenland unter Polizeischutz arbeiten, systematische Angriffe gegen Medien beobachtete ROG allerdings im vergangenen Jahr nicht mehr.

 

Mittwoch, 30. Januar 2013, von Elmar Leimgruber

ROG: Ranking Pressefreiheit 2013: Österreich und Schweiz Absteiger

Eritrea, Nordkorea und das europäische Land Turkmenistan sind nach wie vor jene Länder weltweit, in denen Diktaturen die Pressefreiheit vollständig beschneiden. Dies geht aus dem heute veröffentlichten Ranking Pressefreiheit 2013 von Reporter ohne Grenzen (ROG) hervor. Europäische Staaten, allen voran Finnland, Niederlande und Norwegen haben sich als weltweitend führend beim Schutz der Pressefreiheit behauptet. Dazu tragen liberale Regelungen über den Zugang zu Behördeninformationen sowie Schutz journalistischer Quellen bei. In Finnland haben die Bürger seit 2010 sogar ein einklagbares Recht auf eine bezahlbare Breitbandverbindung. Die ROG-Rangliste der Pressefreiheit vergleicht die Situation der Medien in 179 Staaten und Regionen bis Ende November 2012.

Innerhalb Europas nimmt Deutschland (Platz 17) weiter (hinter Jamaika) eine mittlere Position ein. Problematisch ist hier laut ROG vor allem die abnehmende Vielfalt der Presse: Aus Geldmangel arbeiten immer weniger Zeitungen mit eigener Vollredaktion, mehrere Redaktionen wurden 2012 komplett geschlossen. Gleichzeitig investieren Unternehmen und PR-Agenturen steigende Summen, um ihre Inhalte in den Medien unterzubringen. Positiv hervorzuheben ist ein neues Bundesgesetz vom August 2012, das Journalisten stärker vor Durchsuchungen schützt.

Während Österreich ein Jahr vorher noch auf Rang 5 zu finden war, verschlechterte sich seine Position gleich um 7 Plätze und liegt jetzt erst (u.a. hinter Tschechien) auf dem 12. Rang: “Versuche seitens der Politik, durch gezielte Postenbesetzung im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF ihren Einfluss geltend zu machen und dadurch das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Berichterstattung untergräbt,” ist laut Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, nur einer der Gründe für den Abstieg Österrreichs. Auch die Schweiz verliert massiv: im vergangenen Jahr noch am 8., nun nur noch am 14. Platz. Andorra und Liechtenstein sind neu im Ranking und gleich in den Top 10, während Neuseeland als einziger nichteuropäischer Staat (+5) ebenfalls neu in den Top 10 ist.

Verschlechtert hat sich die Situation in UNGARN (Platz 56), wo seit den umstrittenen Mediengesetzen Selbstzensur in den Redaktionen weit verbreitet ist. Die nationalkonservative Regierung kontrolliert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, während das linksliberale Klubradio seit mehr als einem Jahr um den Erhalt seiner Sendelizenz kämpft. In ITALIEN (Platz 57) lehnte das Parlament Ende November erst in zweiter Lesung einen Gesetzentwurf ab, der für Journalisten – anders als für sonstige Personen – Haftstrafen wegen Verleumdung vorsah. In GRIECHENLAND (Platz 84) werden Journalisten immer häufiger von extremistischen Gruppen oder der Polizei angegriffen.

In der TÜRKEI (Platz 154) saßen seit dem Ende des Militärregimes 1983 nie so viele Journalisten im Gefängnis wie heute. Vielen werden Straftaten nach dem umstrittenen Antiterrorgesetz zur Last gelegt. Oft erhalten weder Angehörige noch Anwälte Informationen über die Anklage und Zugang zu den Akten. Weil sie Gefangene übermäßig lange in Untersuchungshaft hält, wurde die Türkei wiederholt international kritisiert. Eine Reform des Antiterrorgesetzes im Juli 2012 brachte jedoch nur geringfügige Verbesserungen.

In RUSSLAND (Platz 148) behinderte die Staatsspitze die Berichterstattung über Großdemonstrationen gegen die umstrittene Wiederwahl Wladimir Putins. In überraschender Eile wurde im Sommer die  Gesetzgebung zur Verleumdung verschärft, die erst kurz zuvor liberalisiert worden waren. Seit September 2012 existiert eine „Schwarze Liste“ blockierter Internetseiten, die Kinder vor Pornografie oder anderen schädlichen Inhalten schützen und „Hochverrat“ verhindern soll. Die Überwachung des Internets ist in hohem Maße intransparent, da eine kleine Expertengruppe darüber entscheidet, welche Seiten blockiert werden.

In der UKRAINE (Platz 126), die im Januar den Vorsitz der OSZE übernommen hat, ist die Gewalt gegen Journalisten 2012 deutlich gestiegen, wobei Übergriffe selten verfolgt werden. Kaum verbessert hat sich die Situation in ASERBAIDSCHAN (Platz 156) und BELARUS (Platz 157), wo mit Ilcham Alijew und Alexander Lukaschenko zwei ausgesprochen pressefeindliche Präsidenten regieren.

Besonders in den arabischen Ländern wird nach den Umbrüchen und Protesten des Jahres 2011 erkennbar, ob Journalisten heute freier berichten können oder ob die neuen Machthaber die Medien genauso streng kontrollieren wie ihre Vorgänger. „In vielen arabischen Staaten müssen Pressefreiheit und der Schutz von Journalisten verbindlich in Gesetzen festgeschrieben werden“, fordert Astrid Frohloff, Vorstandssprecherin von Reporter ohne Grenzen in Berlin.

Zwei Jahre nach Beginn des Arabischen Frühlings bleibt die Situation der Pressefreiheit vielerorts prekär: In ÄGYPTEN (Platz 158) werden Journalisten und Blogger nach wie vor häufig angegriffen, verhaftet oder vor Gericht gestellt, auch wenn das Ausmaß der Gewalt geringer ist als zu Beginn der Revolution 2011. Die neue Verfassung enthält Regelungen, die die Pressefreiheit gefährden. In TUNESIEN (Platz 138) nahmen die Angriffe auf Journalisten zeitweise zu; die Regierung verzögerte die Umsetzung bereits beschlossener neuer Mediengesetze und besetzte willkürlich wichtige Posten in den Staatsmedien. LIBYEN hat seine Platzierung nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes und der damit verbundenen Gewalt um 23 Plätze auf Rang 131 verbessert.

Teils noch desolater ist die Situation in den arabischen Ländern, in denen der Machtkampf zwischen Regierung und Opposition andauert. SYRIEN (Platz 176) verharrt auf dem viertletzten Platz der Rangliste – im Propagandakrieg zwischen Regierung und Opposition nehmen dort alle Konfliktparteien Journalisten ins Visier. In BAHRAIN (Platz 165) ist die Gewalt gegen Journalisten nach der Repressionswelle von 2011 zwar etwas zurückgegangen, aber das Land gehört weiterhin zu den 20 Schlusslichtern der Rangliste.

Der IRAN hält sich mit Platz 174 unter den am schlechtesten platzierten Ländern. Geheimdienst und Revolutionswächter kontrollieren die gesamte Medienlandschaft, und das Land gehört zu den fünf größten Gefängnissen für Journalisten. Immer häufiger drangsaliert das Regime die Familien iranischer Journalisten, die im Ausland oder für ausländische Medien arbeiten.

ISRAEL schafft es wegen der Übergriffe seiner Armee in den Palästinensergebieten nur noch auf Platz 112. Während der Gaza-Offensive im November griffen seine Streitkräfte gezielt Journalisten und Redaktionen mit Verbindungen zur Hamas an. In Israel selbst bleibt trotz echter Pressefreiheit die Militärzensur ein strukturelles Problem.

In CHINA (Platz 173) und VIETNAM (Platz 172), wo der Staat die Medien streng kontrolliert, werden besonders Blogger und Internet-Aktivisten verfolgt. In China sitzen fast 70 Blogger im Gefängnis. In Vietnam sind es mehr als 30. Ebenfalls am Ende der Rangliste stehen NORDKOREA (Platz 178) und LAOS (Platz 168), deren autoritäre Regime keine unabhängige Berichterstattung zulassen. Eines der gefährlichsten Länder weltweit für Journalisten bleibt PAKISTAN (Platz 159), zehn Journalisten wurden dort im vergangenen Jahr getötet. Auch in INDIEN (Platz 140) und BANGLADESCH (Platz 144) verschlechterte sich die Situation, Gewalt gegen Journalisten wird dort nur selten verfolgt.

Die USA verbesserten sich um 15 Positionen auf Platz 32 und näherten sich damit wieder ihrem Rang vor 2011 an, als die Polizei die Berichterstattung über die Occupy-Proteste behinderte. Auch CHILE (Platz 60) machte nach dem Abflauen von Studentenprotesten einen Teil seines Vorjahreseinbruchs in der Rangliste wett, wenngleich Medienkonzentration, politische Einflussnahme und Kriminalisierung dort weiterhin die Arbeit von Journalisten behindern. KANADA rutschte zehn Plätze auf Rang 20 ab, weil dort während Studentenprotesten die Arbeit von Journalisten behindert wurde und der Quellenschutz sowie die persönlichen Daten von Internetnutzern in Gefahr sind.

In PARAGUAY (Rang 91) wurde die Amtsenthebung von Präsident Fernando Lugo von einer Entlassungswelle in den staatlichen Medien und häufiger Zensur begleitet. ECUADOR verschlechterte sich in einem Jahr extremer Spannungen zwischen der Regierung und den führenden Privatmedien weiter auf den 119. Platz. In MEXIKO (Rang 153) und KOLUMBIEN (Rang 129) kennzeichnet weiterhin Gewalt die Lage. Zu den Lichtblicken des Kontinents gehört EL SALVADOR (Rang 38), dessen Behörden mehrfach ihren Willen demonstriert haben, Gewaltverbrechen gegen Journalisten zügig aufklären und zu bestrafen.

SOMALIA (Platz 175) war 2012 nach Syrien das gefährlichste Land für Journalisten und ist damit fast an das Ende der Rangliste herangerückt. Drohungen, Anschläge und Morde sind dort an der Tagesordnung, und die Verantwortlichen werden kaum jemals zur Verantwortung gezogen. Im SUDAN (Platz 170) gibt es keine unabhängigen Medien; auch 2012 wurden Zeitungen beschlagnahmt und Journalisten verhaftet. Auch in GAMBIA (Platz 152), SWASILAND (155), RUANDA (161) und ÄQUATORIALGUINEA (166) halten autoritäre Staatschefs die Medien unter strikter Kontrolle.

Im SENEGAL (Platz 59) und in LIBERIA (Platz 97) gaben Ankündigungen der Präsidenten Anlass, auf Verbesserungen der Pressefreiheit zu hoffen. Der SÜDSUDAN (Platz 124) enttäuschte im Jahr nach seiner Staatsgründung: Während die von der Regierung angekündigten Mediengesetze auf sich warten lassen, wurde dort bereits ein Kolumnist ermordet.

Kein anderes Land hat seine Platzierung so stark wie MALI (Platz 99) verschlechtert, das viele Jahre einer der Vorreiter der Pressefreiheit in Afrika war. Nach dem Militärputsch im März sowie der Machtübernahme im Norden durch Tuareg und Islamisten mussten viele Radiosender im Rebellengebiet ihren Betrieb einstellen. Auch in der Hauptstadt waren Zensur und gewaltsame Übergriffe auf Journalisten an der Tagesordnung. JAPAN rutschte vor allem wegen seiner restriktiven Informationspolitik im Gefolge der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 um 31 Plätze ab und rangiert nur noch auf Platz 53. Der OMAN (Rang 141) ging gegen fast 50 Blogger und Netzaktivisten strafrechtlich vor, um ein Übergreifen des Arabischen Frühlings zu verhindern – das Land rutschte deshalb 24 Plätze ab.

Die  größten Aufsteiger der diesjährigen Rangliste sind MALAWI (Platz 75) und die ELFENBEINKÜSTE (Platz 96). Beide sind wieder ungefähr auf ihre früheren Platzierungen vorgerückt, nachdem sie 2011 mit heftigen Repressionen auf innenpolitische Krisen reagiert hatten. AFGHANISTANS Aufrücken um 22 Positionen (auf Rang 128) spiegelt den Umstand wider, dass dort ungeachtet aller Defizite und Unsicherheiten 2012 keine Journalisten in Ausübung ihres Berufs getötet wurden und die Zahl der Festnahmen rückläufig ist. BIRMA verbesserte sich infolge der politischen Reformen auf Rang 151: Die ehemalige Militärführung hat etliche Journalisten und Blogger entlassen und Reformschritte wie die Aufhebung der Vorzensur machen Hoffnung auf einen echten Wandel.

Das vollständige Ranking Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (ROG) ist hier abrufbar.

Donnerstag, 21. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

ROG: Pressefreiheit-Rankings 2010 – Europa im Abwärtstrend

Die Lage der Medienfreiheit in Europa hat sich weiter verschlechtert. Dies ist ein Ergebnis der am 20.10.2010 veröffentlichten Rangliste zur Lage der Pressefreiheit 2010 (World Press Freedom Index 2010) von Reporter ohne Grenzen (ROG). Der bereits bei der vorherigen Erhebung von 2009 festgestellte Abwärtstrend einiger süd- und südosteuropäischer Staaten setzt sich demnach im aktuellen ROG-Ranking fort. Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich und Italien hat sich diese Entwicklung bisher nicht umgekehrt.

Gleichzeitig beobachtet ROG bei der Lage der Pressefreiheit wachsende Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsländern: Zwischen den drei am besten platzierten EU-Ländern an der Spitze des Rankings – Finnland, die Niederlande und Schweden – und den am schlechtesten platzierten – Bulgarien, Griechenland – liegen rund 70 Positionen.

Rund die Hälfte der 27 EU-Mitgliedsstaaten sind unter den 20 führenden Ländern der aktuellen Rangliste. Die Schere innerhalb der Staatengemeinschaft geht jedoch stark auseinander. So liegen zwölf EU-Länder, also fast die Häflte, zwischen dem 30. und 70. Rang. Am stärksten gefallen ist Griechenland (2009: Platz 35, 2010: Platz 70). Damit bildet das südeuropäische Land gemeinsam mit Bulgarien (2009: Platz 68, 2010: Platz 70) das Schlusslicht unter den EU-Staaten. In Griechenland waren körperliche Angriffe bei Demonstrationen und Drohungen gegen Journalisten ein Grund für die Abwärtsbewegung.

Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich (2009: Platz 43, 2010: Platz 44) und Italien (2009 und 2010: Platz 49) gibt es keine Indizien für eine Verbesserung der Situation: Grundlegende Probleme wie die Verletzung des Quellenschutzes, die zunehmende Konzentration von Medieneigentum sowie gerichtliche Vorladungen von Journalisten dauern an.

“Es ist beunruhigend festzustellen, wie einige EU-Mitgliedstaaten weiter Plätze in der Rangliste verlieren”, äusserte sich dazu ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard: “Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzt sie ihre weltweit führende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europäischen Staaten müssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen”, appelliert Julliard.

Die Pressefreiheit – Rangliste 2010
Grafik: rog.at

Auch in diesem Jahr dominieren wieder nordeuropäische Staaten die ersten Ränge. Finnland, Island, die Niederlande, Norwegen und Schweden teilen sich zusammen mit der Schweiz den ersten Rang. Seit Veröffentlichung der ersten ROG-Rangliste im Jahr 2002 hatten alle sechs Staaten schon einmal diese Position inne. Die gesetzlichen Schutzgarantien für Medienschaffende und das hohe Maß an Respekt für die wichtige Arbeit von Journalisten in demokratischen Systemen sind in diesen Ländern vorbildlich.

Österreich nimmt in diesem Jahr Platz 7 ein. Die Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (Platz 13) ist in Relation zu den anderen genannten Ländern zu sehen. Österreich hat 2010 im Ranking deshalb besser abgeschnitten, weil sich die Situation der Pressefreiheit in den anderen Ländern teilweise verschlechtert hat. Grossbritannien liegt übrigens am 19. und die USA am 20. Platz.

Deutschland steht in diesem Jahr – fast unverändert – auf Platz 17 (2009: Platz 18): Wie auch in anderen EU-Staaten wurden Redaktionszusammenlegungen und Stellenstreichungen negativ bewertet. Der Zugang zu Behördeninformationen bleibt ebenfalls unzureichend. Zu weiteren Kritikpunkten gehörten unter anderem das Strafverfahren gegen zwei Leipziger Journalisten in der so genannten Sachsensumpf-Affäre.

Anlass zur Sorge bietet darüber hinaus die Entwicklung der Türkei. Nachdem sich der EU-Anwärter schon im Index 2009 um 20 Plätze verschlechtert hatte, folgt in diesem Jahr ein weiterer Rückfall um 16 Ränge. Damit steht das südeuropäische Land auf Position 138 (2009: 122). Ins Gewicht fielen bei der schlechten Platzierung die steigende Zahl von Klagen gegen Journalisten und Medien sowie Festnahmen von Medienmitarbeitern. Die Türkei gerät somit in unmittelbare Nachbarschaft zu Russland (2009: 153, 2010: 140).

Zensur, Gewalt und Repressionen gehören nach wie vor zum Alltag vieler kritischer Journalisten auch in der Russischen Föderation. Die Mordserie im Erhebungszeitrum der vorherigen Rangliste hat sich jedoch nicht wiederholt. Eine äußerst schwierige Situation der Pressefreiheit dokumentiert ROG zudem seit vielen Jahren auf dem Balkan. Besonders kritisch ist die Lage in Serbien (85), im Kosovo (92) und in Montenegro (104). Drohungen gegen Journalisten und der steigende Einfluss krimineller Gruppen auf Medienunternehmen erschweren die Arbeit von Medienschaffenden in Südosteuropa erheblich.

Die Situation auf den untersten Positionen der Rangliste weltweit ist fast unverändert: Birma, Iran, Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea sind erneut die Schlusslichter. Neu hinzugekommen zu der Gruppe der zehn repressivsten Staaten der Welt sind in diesem Jahr der Sudan und Ruanda. Mit der diesjährigen Rangliste wird zum neunten Mal die Situation der Pressefreiheit in 178 Staaten und Regionen weltweit verglichen. In die Bewertung wurden Verstöße gegen dieses Menschenrecht im Zeitraum von September 2009 bis August 2010 einbezogen:

Seit 2005 stehen Eritrea (178), Nordkorea (177) und Turkmenistan (176) ganz unten auf der Liste. Eine systematische Verfolgung von unabhängigen Medienschaffenden und ein vollständiges Fehlen von Nachrichten und Informationen kennzeichnet die Lage in den Ländern seit mehreren Jahren. “Wir sehen leider keine Verbesserung in den autoritären Staaten”, so Julliard. „Wir sind besorgt über den harschen politischen Kurs einiger Regierungen von Ländern am unteren Ende des Rankings.”

Die Situation hat sich auch in Ruanda (2009: 157, 2010: 169) und im Sudan (2009: 148, 2010: 172) verschärft. Die beiden Länder im Osten und Nordosten Afrikas sind deswegen auf die zehn hintersten Ränge abgerutscht. In Ruanda fielen zusätzliche Zensurmaßnahmen und Schließungen von Medien vor der Präsidentschaftswahl im August 2010 ins Gewicht. Überdies wurde ein Journalist ermordet. Im Sudan hat die Regierung ihre Überwachung der Printmedien deutlich verstärkt, mehrere Journalisten wurden verhaftet und eine oppositionelle Tageszeitung wurde geschlossen.

Auch Birma rangiert wieder unter den letzten zehn Staaten. Auf Versuche von Journalisten, Nachrichten jenseits von Propaganda zu veröffentlichen, reagieren die Behörden mit Gefängnis und Zwangsarbeit. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich die Lage angesichts der im kommenden Monat bevorstehenden Parlamentswahl noch verschärfen wird.

Kaum verändert haben sich darüber hinaus die Positionen der Volksrepublik China (2009: 168, 2010: 171), des Irans (2009: 172, 2010: 175) und Syriens (2009: 165, 2010: 173). Die starke Wirtschaftsmacht China nimmt immer noch nicht ihre Verantwortung bei der Wahrung der Menschenrechte wahr. Anlässlich der Bekanntgabe der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo hat die Regierung wieder ihre starre Haltung manifestiert: Medienberichte über die Preisvergabe wurden zensiert, Unterstützer Lius festgenommen.

Im Iran haben die Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten und Blogger und die staatliche Zensur in diesem Jahr ein noch größeres Ausmaß erreicht. Mehr als 200 Medienschaffende sind seit Sommer 2009 aus der islamischen Republik geflüchtet. In Syrien lassen weit greifende Mechanismen zur Kontrolle von staatlichen und privaten Medien, repressive Pressegesetze und die Unterdrückung von oppositionellen oder kritischen Journalisten so gut wie keine Freiräume mehr für unabhängige Meinungsäußerung.

Die Philippinen, Ukraine und Kirgistan sind neben Griechenland am stärksten in diesem Jahr abgestiegen: Auf den Philippinen (2009: 122, 2010: 156) ereignete sich im vergangenen November eines der schwersten Massaker an Journalisten: Rund 30 Medienmitarbeiter kamen damals ums Leben. In der Ukraine (2009: 89, 2010: 131) verzeichnet ROG eine stetige Verschlechterung der Situation der Pressefreiheit seit Viktor Janukowitschs Wahl zum Präsidenten: Die staatliche Kontrolle über die Medien und Repressionen gegen Journalisten haben zugenommen, die Medienvielfalt nimmt ab. In Kirgistan (2009: 125, 2010: 159) gingen die politischen Unruhen mit der Verfolgung von Journalisten einher, die ethnischen Minderheiten angehören.

Die vollständigen Pressefreiheit-Rankings 2010 weltweit sind hier abrufbar.