Gestern Mittwoch wurde der alle zwei Jahre erscheinende vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), der Statistik Austria und dem Sozialministerium erstellte Sozialbericht vorgestellt. “Im Vergleich zu anderen EU-Staaten haben sich in Österreich die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bislang relativ moderat ausgewirkt. Dies ist sowohl auf wirtschafts-, fiskal- und beschäftigungspolitische Maßnahmen als auch wohlfahrtsstaatliche Strukturen und die Sozialausgaben als konjunkturstabilisierende Faktoren zurückzuführen”, unterstrich Sozialminister Rudolf Hundstorfer.
Im Gegensatz zum Sozialminister aber, der seit drei Jahrzehnten die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker ansteigen sieht als die Einkommen aus Arbeit, betont die Wirtschaftskammer (WKO), dass die österreichische Einkommensverteilung im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet: “Der soziale Ausgleich ist in Österreich besonders stark ausgeprägt”, erklärt Anna Maria Hochhauser, Generalsekretärin der Wirtschaftskammer: Wird die Umverteilungswirkung anhand des international anerkannten GINI-Koeffizienten betrachtet, so befinde sich Österreich im OECD-Vergleich sogar an erster Stelle.
Die Umverteilung durch das Steuer- und Transfersystem reduziere den Gini-Koeffizienten für die Einkommensverteilung (0=völlige Gleichverteilung, 1=maximale Ungleichverteilung) von 0,47 (Bruttoeinkommen) auf 0,26 (Nettoeinkommen). Somit liegt Österreich mit einer Differenz des Gini-Koeffizienten zwischen Brutto- und Nettoeinkommensverteilung von 0,21 an der OECD-Spitze. Das Nettopensionsvermögen ist durch die gesetzliche Mindest- und Höchstpension sogar noch gleicher verteilt als das Nettovermögen. “Wir stehen bei der sozialen Sicherheit viel besser da als die meisten europäischen Länder. Die Wirtschaftskammer setzt sich daher im Rahmen der Steuerreform für eine Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Lohn- und Einkommensteuer ein,” betont Hochhauser.
Die starke Umverteilung habe aber auch ihren Preis, so Hochhauser. Der Anteil der Steuern und Sozialabgaben am BIP betrage in Österreich bereits über 40 Prozent: “Wir sind damit im OECD-Vergleich ein absolutes Hochsteuerland. Auch ist zu berücksichtigen, dass 10% der Lohnsteuerpflichtigen 52% des Lohnsteueraufkommens zahlen. Die Steuerschraube darf daher nicht noch weiter zugedreht werden. Noch höhere Steuern oder neue Steuern auf Eigentum würden den Wirtschafts-und Arbeitsstandort Österreich erheblich unter Druck setzen. Das kann sich unser Land gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten nicht leisten”, so Hochhauser.
Anders bewertet die österreichische Armenkonferenz den aktuellen Sozialbericht: “Dauerhafte Armut bei steigendem Reichtum ist kein Naturgesetz”, kommentiert die Armutskonferenz die Daten des aktuellen Sozialberichts. “Armut und soziale Ungleichheit sind keine Naturereignisse, die es mit jeder frischen Statistik neu zu bestaunen gilt. Es gibt genügend Instrumente und Möglichkeiten in der Schule, beim Wohnen und mit sozialen Dienstleistungen gegenzusteuern.”, so das österreichische Netzwerk, das 500.000 Menschen im Jahr begleitet, unterstützt und mit ihnen für eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen kämpft.
Der aktuelle Sozialbericht ist hier vollständig online abrufbar.