Mit ‘Überwachungsstaat’ getaggte Artikel

Mittwoch, 1. Juli 2015, von Elmar Leimgruber

Reporter Ohne Grenzen verklagen BND (Unterschriftenaktion)

Grafik: ROG-WebseiteDie gemeinnützige internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) verklagt den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) wegen Verletuung des Fernmeldegesetzes und fordert zu einer Unterschriftenaktion auf. ROG wirft dem Bundesnachrichtendienst vor, den E-Mail-Verkehr der Organisation mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen im Zuge seiner strategischen Fernmeldeüberwachung ausgespäht zu haben:

Der BND “beeinträchtigt massiv die Arbeit von ROG und verletzt die Interessen der Organisation”, so ROG. Die Klage wurde am Dienstag (30. Juni 2015) beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht. In einer Online-Petition ruft ROG daher zudem zur Unterstützung der Klage auf, die auch das Verkehrsanalysesystem “VerAS” einschliesst.

 

Für zahlreiche Journalisten aus Deutschland und aus autoritären Staaten wie Usbekistan, Aserbaidschan oder China sei ROG ein regelmäßiger und wichtiger Ansprechpartner, an den sie sich mit schutzwürdigen Anliegen oder vertraulichen Informationen wenden. Die Ausforschung der Kommunikation durch den BND bedeute jedoch, dass sich die Journalisten mit ihren persönlichen Anliegen nicht mehr darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt, kritisiert ROG.

Wie aus dem jährlichen Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 08. Januar 2015 hervorgeht, hat der BND im Zuge der strategischen Fernmeldeüberwachung im Jahr 2013 schätzungsweise hunderte Millionen Mails mit Suchbegriffen durchforstet und schließlich mehr als 15.000 Mails mit Treffern ermittelt, die genauer untersucht wurden. Zu den Schwerpunkten der Arbeit von ROG gehören die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens und der ehemaligen Sowjetunion. Im fraglichen Zeitraum stand die Organisation mit zahlreichen Journalisten und zivilgesellschaftlichen Akteuren über Themen wie die Tätigkeit von Geheimdiensten in engem Austausch. Nach allem, was über die vom BND verwendeten Suchbegriffe bekannt ist, muss ROG deshalb davon ausgehen, dass auch zahlreiche E-Mails der Organisation erfasst und weitergehend bearbeitet wurden.

Reporter ohne Grenzen vertritt die Auffassung, dass diese Überwachungspraxis unverhältnismäßig ist und vom Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (kurz G10-Gesetz) nicht gedeckt ist. Angesichts dieser Überwachung sieht ROG den Informantenschutz für Journalisten nicht mehr garantiert und die freie Berichterstattung in Deutschland bedroht. Den Medien ist es nicht mehr ausreichend möglich, ihrer Rolle als vierte Gewalt in einer demokratischen Gesellschaft nachzukommen.

Dabei genießen Journalisten in Deutschland wie auch in anderen demokratischen Ländern ein Zeugnisverweigerungsrecht, das sie dazu berechtigt, gegenüber Ermittlungsbehörden die Quellen ihrer Recherchen zu verschweigen. Auch der Kommunikationsverkehr von Journalisten in der Demokratie steht unter einem besonderen Schutz. Mit seiner Klage will ROG dieses Recht von Journalisten durchsetzen.

Verschiedene Studien sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Journalisten angesichts von Massenüberwachung in ihrer Arbeit bedroht fühlen und gezwungen sehen, ihre Arbeitsweise zu ändern oder bestimmte Recherchen nicht weiter zu verfolgen. In Einzelfällen schrecken Informanten sogar davor zurück, Journalisten zu kontaktieren, weil sie fürchten, vom Geheimdienst enttarnt zu werden. Informanten und Whistleblower sind jedoch eine Grundvoraussetzung für unabhängige, journalistische Berichterstattung in einer Demokratie.

Die juristische Überprüfung der Überwachungspraxis durch das Bundesverwaltungsgericht soll auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands gegenüber der willkürlichen Praxis autoritärer Staaten wie China, Saudi-Arabien oder Turkmenistan stärken. Die UN-Vollversammlung hat Ende 2013 die Resolution „Right to Privacy in the Digital Age“ verabschiedet, die die Bundesregierung mit initiiert hatte.

Es erscheint uns jedoch wenig glaubwürdig, wenn die Bundesregierung einerseits versucht, andere Regierungen zu mehr Achtung der Informationsfreiheit zu bewegen, und deutsche Nachrichtendienste gleichzeitig einer ähnlichen Praxis folgen und Bürger ebenfalls massenhaft ausspähen. Die Bundesregierung muss stattdessen die in der Resolution genannten Forderungen auch im eigenen Land umsetzen und sicherstellen, dass die deutschen Geheimdienste sich bei ihren Überwachungsmaßnahmen an geltende Gesetze halten.

ROG klagt deswegen auch gegen den Einsatz des Verkehrsanalysesystems „VerAS“. Mit diesem Programm erhebt und verarbeitet der BND seit dem Jahr 2002 Metadaten auch von deutschen Bürgern, die im Zusammenhang mit ihrer Kommunikation anfallen. Dabei erfasst der Nachrichtendienst neben Telefonverbindungen, SMS und E-Mails auch das Surfen im Internet sowie die Nutzung von sozialen Netzwerken. Für diese Art von Datensammlung und -analyse gibt es keine gesetzliche Grundlage; sie muss deshalb sofort eingestellt werden.

Aus Sicht der Sicherheitsbehörden verfolgt  „VerAS“ das Ziel, Beziehungen zwischen Terrorverdächtigen zu erkennen und auf diese Weise geheime Pläne oder ganze Netzwerke aufzudecken. Dieses Verfahren wird so umfassend angewandt, dass auch Journalisten erfasst werden können, die nur indirekt und über bis zu vier weitere Kommunikationspartner mit einem Terrorverdächtigen in Verbindung gebracht werden können. Auf diese Weise kommt  der BND eigenen Angaben zufolge auf rund 500 Millionen Metadaten pro Monat, die er erfasst. Angesichts dieser immensen Datensammlung ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch die Verbindungsdaten von ROG als internationaler Organisation vom BND gespeichert wurden.

“Der Schutz des Post- und Telekommunikationsgeheimnisses ist ein weltweit geachtetes Menschenrecht. Deshalb haben Reporter ohne Grenzen und andere zivilgesellschaftliche Gruppen bereits im März eine umfassende Kontrolle der deutschen Geheimdienste angemahnt. Wir wiederholen heute unsere Forderung, dass es keine Überwachungsmaßnahmen ohne gesetzliche Grundlage geben darf, weder im Inland noch im Ausland”, betont Reporter ohne Grenzen.

Sonntag, 11. September 2011, von Elmar Leimgruber

Kein Grund zu feiern: 10 Jahre NINE ELEVEN

Heute vor 10 Jahren war NINE ELEVEN, das wohl schockierendste Ereignis nach dem zweiten Weltkrieg. Und auch wenn sicherlich die wahren Hintergründe der damaligen Anschläge auf das World Trade Center  (WTC) in New York noch nicht gänzlich aufgeklärt sind: Es begann damit ein trauriges Kapitel vor allem der US-Geschichte, das -im Namen des “Kampfes gegen den Terror” zu einer “neuen Dimension” des Überwachungsstaates auch in Europa und von einem grundsätzlichen Misstrauen bis zu einer Hetzjagd gegen Muslime im Allgemeinen führte.

redakteur.cc trauert um die vielen Toten damals und solidarisiert sich mit zahlreichen Verletzten von damals, die teilweise immer noch unter Spätfolgen leiden, fordert vollständige eine Aufklärung der tragischen Ereignisse und appelliert an alle (vor allem Kolleginnen und Kollegen im journalistischen Bereich), auch hier differenziert zu denken und nicht die einfachsten Thesen einfach wiederzukäuen: Nicht jeder (inszenierte) Feind ist ein Feind. Und manchmal ist sogar der beste (politische) Freund der eigentliche Feind. E.L.

Expertenkonferenz über Nine Eleven in Wien
Foto: EU-Kommission/Thomas Preiss

10 Jahre nach den Terroranschlägen (Nine Eleven) analysierte eine hochkarätige Konferenz mit Medien- und Sicherheitsexperten im Haus der Europäischen Union in Wien die Auswirkungen auf Europa und die Welt. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass heute die Meinungsfreiheit wichtiger denn je ist. Die Veranstaltung wurde von Reporter ohne Grenzen (ROG) Österreich in Kooperation mit der OSZE, dem Medienhaus, dem Presseclub Concordia sowie der EU-Kommissionsvertretung in Österreich organisiert:

Reporter sind wichtige Akteure bei der Aufdeckung und Vorbeugung von Unrecht und Menschenrechtsverletzungen. Ihre Arbeit in den Jahren nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat dazu beigetragen, Sicherheit zu gewährleisten, aber auch Missstände im Umgang mit Sicherheit aufzudecken. Auch in Zeiten verschärfter Sicherheitsmaßnahmen muss die Meinungsfreiheit und die Arbeit von Medien vorbehaltlos unterstützt werden. Dies ist die zentrale Erkenntnis der Medientagung “Nine Eleven & Europe – 10 Years of Security Policy versus Freedom of Expression”, die heuer im Haus der Europäischen Union stattfand.

“Auf Freiheit und Verantwortung zu achten, schien mir die notwendige Aufgabe des journalistisches Berufes”, resümierte der Gründer und erste Beauftragte für Medienfreiheit der OSZE, Freimut Duve. Seine Nachfolgerin im Amt, Dunja Mijatovic, ergänzte, dass sich das Mandat des OSZE-Beauftragten nicht verändert habe. Es gehe darum, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu wahren und gleichzeitig dem berechtigten Anliegen der Regierungen nachzukommen, ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Gerhard Sabathil, Direktor beim Europäischen Auswärtigen Dienst stellte klar, dass Nine Eleven für Europa ein einschneidendes Ereignis war und unterstrich die Solidarität Europas mit Amerika: “Amerika ist auf der Idee der Freiheit und Sicherheit entstanden; ohne Freiheit gibt es keine Sicherheit. Dies ist auch die Botschaft des Arabischen Frühlings.” Ian Kelly, US-Botschafter bei der OSZE, unterstrich die Rolle Neuer Medien bei der kollektiven Aufarbeitung von Nine Eleven. Auch die anwesenden Vertreter internationaler Journalistenvereinigungen betonten die Rolle des Internets für Transparenz.

Dienstag, 24. Juni 2008, von Elmar Leimgruber

Landeshauptmann Günther Platter

Schon 2002 wollte Günther Platter (ÖVP) Nachfolger von Wendelin Weingartner als Landeshauptmann von Tirol werden. Doch er unterlag in einer Kampfabstimmung Herwig Van Staa.
In den letzten Jahren versuchte er immer wieder als Minister von Wien aus (zuerst als Verteidigungsminister, dann als Innenminister), am Chefsessel von Van Staa zu sägen, was ihm jedoch misslang, auch weil er selbst immer wieder im Mittelpunkt der Kritik stand.
Erst jetzt nach der verlorenen Landtagswahl für Van Staa, die Platter genauso verloren hätte, brachte sich Platter wieder ins Gespräch als Landeshauptmann. Und Van Staa bot ihm, Platter, seinem langjährigen politischen Widersacher, diesen Posten auch an: das zeigt tatsächlich Reife und Größe.
Man mag nun zu Platter als Minister stehen, wie man möchte. Mir war er als Verteidigungsminister eindeutig am liebsten, war er doch als Innenminister einer der schärfsten Befürworter eines Überwachungsstaates.
Die Tiroler sollten sich also lieber nicht zu früh über den Wechsel an der Landesspitze freuen: es wäre nämlich durchaus möglich, dass Platter, von Beruf Gendarm bzw. Polizist, auch als Landeshauptmann dieses “Hobby” in größerem Stil ausübt. Alles Gute jedenfalls weiterhin, o heilig Land Tirol.

Siehe auch meinen Kommentar zum Wahlergebnis in Tirol hier auf meinsenf.net vom 10.6.2008.