Wenn DER Pionier der historischen Aufführungspraxis, der englische Musikwissenschaftler und Dirigent Christopher Hogwood (leider viel zu selten) zu Gast in Österreich ist, dann darf ich nicht fehlen. Längst schon hat er auch die musikalischen Grenzen des Barock durchbrochen und mit seiner Academy of Ancient Music (von ihm 1973 gegründet) nicht nur mit der Wiener Klassik Referenz-Gesamtaufnahmen der Symphonien Ludwig van Beethovens und Mozarts veröffentlicht, sondern auch romantische Werke interpretiert und vor einigen Jahren mit dem Kammerorchester Basel auch Werke des 20. Jahrhunderts eingespielt.
Am Ostersonntag dirigierte Christopher Hogwood das NÖ Tonkünstler Orchester auf Schloss Grafenegg in Niederösterreich. Am Programm standen die Symphonie “La Passione” (Hob. I: 49) von Joseph Haydn und die Messe in C-Moll (KV 427/Bearbeitung: Helmut Eder) von Wolfgang Amadeus Mozart. Die beiden Sopransolistinnen Camilla Tilling und Iano Tamar waren genauso wie der Bariton Mathias Hausmann hervorragend in der Interpretation, was man vom Tenor Daniel Behle bedauerlicherweise nicht nicht behaupten kann: er sang viel zu unsicher, zu leise und zu gequält, was -bei dessen doch ansehnlicher Musikbiografie- an diesem Abend wohl auf mangelnde Vorbereitung schließen lässt.
Eine gewaltige musikalische Wucht im positiven Sinn hat der in Österreich weniger bekannte (aber bereits von Karajan eingesetzte) Tölzer Knabenchor (Leitung: Gerhard Schmidt-Gaden) zu bieten, was er auch an diesem Abend glaubhaft unter Beweis stellte. Christopher Hogwood dirigierte mit viel Emotion und Präzision: eine edle Kombination, welche leider die wenigsten Dirigenten beherrschen. Leider aber gingen die NÖ Tonkünstler, die sicherlich großes musikalisches Potential haben, etwas zu wenig mit seinen musikalischen Visionen der Werke Haydns und Mozarts ein, was besonders in der Dynamik, speziell im zwar teils notwendigen, aber da fehlenden piano (es gibt nicht nur forte!) hörbar wurde. Und dennoch haben neben den Tölzer Sängerknaben auch die Tonkünstler an diesem Ostersonntag mehrmals (besonders beim Gloria der Mozartmesse) Gänsehaut bei mir ausgelöst: Ich liebe es, wenn mich Musik zuinnerst tief berührt.
Und mir gefällt nach wie vor mein bereits während des Osterkonzerts aufkommender Gedanke sehr: wie wäre es, könnte Hogwood viel öfter und vor allem intensiver mit den Tonkünstlern arbeiten. Das ist zwar nicht sehr realistisch, da Hogwood sehr viel zwischen London, Bonn, Zürich und sonstwo dirigiert, was sicherlich auch reizvoll ist. Aber -vorausgesetzt, die Tonkünstler und er wären dazu ernsthaft bereit -das wäre nach meiner Einschätzung großartig: zwar eine Herausforderung für beide, aber eine lohnende: für das Orchester, für Hogwood, das Management und natürlich auch für das Publikum.
In Grafenegg gibts übrigens auch heuer wieder mit den NÖ-Tonkünstlern den beliebten Musiksommer mit der traditionellen vom ORF übertragenen Sommernachtsgala und anschließend das Musikfestival. Ansonsten sind die Tonkünstler neben Grafenegg auch in St. Pölten und im Wiener Musikverein live zu erleben.
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