Es kann nicht sein, dass sich Ärzte von Konzernen wie Danone oder Unilever als Markenbotschafter missbrauchen lassen. Um Becel pro.activ, Actimel und Activia zu bewerben, haben die Hersteller Unilever und Danone über Jahre hinweg versucht, Ärzte zu instrumentalisieren, wirft ihnen die Konsumentenschutzorganisation foodwatch vor: Ziel der speziellen Marketingkampagnen: Mediziner sollten die Functional-Food-Lebensmittel in ihren Praxen an Patienten empfehlen. Die Konzerne setzten dabei auf irreführende Angaben und verschwiegen relevante Informationen, wie die Verbraucherorganisation foodwatch heute in Berlin kritisierte.
“Nicht nur die Pharmaindustrie, sondern auch Lebensmittelhersteller bedrängen Ärzte, den Patienten ihre zweifelhaften Produkte anzudienen”, erklärte Oliver Huizinga von foodwatch. “Das Ärzte-Marketing läuft genauso irreführend und manipulativ wie die direkte Werbung an Endverbraucher.”
Beispiele von -laut foodwatch- fragwürdigen Ärzte-Kampagnen:
- Im April 2012 veröffentlichte Unilever einen Offenen Brief an die Ärzteschaft in Form ganzseitiger Anzeigen in der Ärztezeitung und im Ärzteblatt über seine mit Pflanzensterinen angereicherte, cholesterinsenkende Margarine. “Über 45 Humanstudien wurden durchgeführt, um sowohl die Sicherheit als auch die Wirksamkeit von Pflanzensterinen zu belegen”, argumentiert Unilever-Deutschland-Chef Harry Brouwer und verweist darauf, dass die “wichtigsten europäischen Fachgesellschaften für Kardiologie (ECS) und Atherosklerose (EAS)” Pflanzensterin-angereicherte Lebensmittel in ihre Empfehlungen zur Behandlung erhöhter Cholesterinwerte aufgenommen hätten. Unilever unterschlägt dabei, dass eben diese Leitlinien den gesundheitlichen Nutzen und die Sicherheit solcher Produkte anzweifeln – darin heißt es: “Aktuell gibt es keine Daten, die belegen, dass die Cholesterinsenkung mithilfe von Pflanzensterinen präventiv gegen koronare Herzkrankheiten wirkt. Um die Sicherheit von Lebensmitteln mit Pflanzensterinzusatz bei regelmäßiger Einnahme zu garantieren, sind außerdem Langzeitstudien nötig.”
- Im November 2011 verschickte Unilever Broschüren und Bestellscheine für kostenlose Beratungsmaterialien per Post an Arztpraxen. Vor allem die “Online-Services für Sie und Ihre Patienten” auf den Internetseiten herzalter.de, mein-fettrechner.com und becel.de wurden beworben, verbunden mit dem Appell: “Empfehlen Sie unsere Online-Services auch Ihren Patienten.” Die wissenschaftlichen Zweifel an Lebensmitteln mit Pflanzensterinen verschweigt Unilever auch hier, so foodwatch..
- Auf www.actimel.de steht bis heute ein passwortgeschützter Expertenbereich speziell für “Ärzte und Wissenschaftler” zur Verfügung. Danone dokumentiert dort Fortbildungen zu Themen wie “Probiotika und Immunsystem”, die das Unternehmen gesponsert hat. Der Konzern bietet Zusammenfassungen seiner Studien an, mit denen jahrelang die Gesundheitseffekte von Actimel belegt werden sollte. Danone suggeriert, Actimel sei mehr als ein gewöhnlicher Joghurt und könne unter anderem vor Erkältungen schützen. Dies wird durch die Studien jedoch nicht belegt.
- Bereits 2008 legte Danone Actimel-Gutscheine in Arztpraxen aus, um in einem vertrauenswürdigen Umfeld für den Joghurt zu werben.
foodwatch hatte Unilever bereits kritisiert, weil das Unternehmen in seiner Werbung an Verbraucher suggeriert, dass ein gesundheitlicher Nutzen belegt sei, und Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen verschleiert.
“Actimel activiert Abwehrkräfte” – jahrelang hat Danone den Eindruck erweckt, der probiotische Joghurtkeim “L. casei defensis” könne vor Erkältungen schützen. Inzwischen wurden die ursprüngliche Werbung und das Ärzte-Marketing von der Realität überholt: Der “Defensis”-Keim ist heute offiziell nur noch für den “typischen und leckeren Actimel-Geschmack” und für einen “starken Start in den Tag” verantwortlich. Denn mit gesundheitsbezogenen Aussagen für den Joghurt-Keim darf Danone nicht mehr werben: Es gibt keinen von der Europäischen Lebensmittelbehörde zugelassenen Claim. Die Genehmigung einer Aussage zum Schutz vor Erkältungen hatte Danone gar nicht erst beantragt – stattdessen einen Claim über die Wirkung auf Durchfallerkrankungen. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt; weitere Anträge zog Danone zurück, bevor es zur Prüfung kam, so foodwatch.
Bei der Wahl zum von foodwatch ausgeschriebenen Goldenen Windbeutel 2011 hatte das Produkt den zweiten Platz belegt. 2009 erhielt Actimel den Goldenen Windbeutel für die dreisteste Werbelüge des Jahres. Becel pro.activ ist derzeit einer von fünf Kandidaten für den “Goldenen Windbeutel” 2012, der noch bis zum 18. Juni laufenden Verbraucherwahl zum Preis für die Werbelüge des Jahres auf www.abgespeist.de.
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